Amtsenthebungsverfahren gegen US-PräsidentImpeachment: Gut für die Verfassung – vielleicht sogar für Trump
Dass US-Präsident Donald Trump sein Amt missbraucht habe, ist für die beiden ARD-Korrespondenten in Washington, Torben Ostermann und Martin Ganslmeier, eindeutig nachgewiesen. Trotzdem ist der eine dafür und der andere gegen ein Amtsenthebungsverfahren. Denn was passiert, wenn Trump nicht des Amtes enthoben wird?
Martin Ganslmeier, ARD-Korrespondent in Washington, war bislang nicht für ein Amtsenthebungsverfahren gegen US-Präsident Donald Trump. Aber was jetzt bei der Ukraine-Affäre ans Tageslicht komme, gehe weit über parteipolitische Überlegungen hinaus.
Keinen Präzedenzfall für Amtsmissbrauch schaffen
Es werde immer deutlicher, dass der Präsident sein Amt missbraucht habe: "Ihr bekommt US-Militärhilfe und einen Empfang im Weißen Haus, wenn ihr Ermittlungen gegen Joe Biden einleitet", zitiert Martin Aussagen des Präsidenten in einem Telefonat, das Trump im Juli 2019 mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj geführt hat.
"Trump hat sein Amt dafür missbraucht, dass er innenpolitisch einen Vorteil gewinnt."
Im Fall der Ukraine-Affäre gehe es nicht um eine zurückliegende Wahl wie bei der Mueller-Untersuchung, sondern um die kommende im Jahr 2020 und deren Schutz. Donald Trump zeige auch kein Unrechtsbewusstsein. Stattdessen habe er auch noch China dazu aufgerufen, sich einzumischen.
"Die Demokraten und auch der Kongress, die Legislative, kann gar nicht anders als zu sagen, einen Präsidenten, der dermaßen außer Rand und Band ist, den muss man stoppen. Man muss jetzt mit dem Impeachment ein Zeichen setzen, sonst berufen sich künftige Präsidenten auf den Präzedenzfall."
Der Kongress müsse diesen Amtsmissbrauch Donald Trumps ahnden und ein Zeichen setzen, sonst könnten sich zukünftige Präsidenten immer wieder auf den Fall und das Vorgehen der Legislative berufen.
Torben Ostermann ist ebenfalls ARD-Korrespondent in Washington und hält die Vorwürfe gegen Trump für schwerwiegend und besorgniserregend. Er gibt aber zu Bedenken, dass das Impeachment kein strafrechtliches Verfahren sei, sondern ein politischer Prozess. Am Ende würden Politiker darüber abstimmen, ob der Präsident sich eines Vergehens schuldig gemacht habe und ob er deshalb seines Amts enthoben wird.
Parteifreunde Trumps könnten ihn vom Vorwurf des Amtsmissbrauchs freisprechen
Letztlich werde die Entscheidung im Senat gefällt und dort haben die Republikaner, die Parteikollegen Trumps, die Mehrheit. Deshalb vermutet Torben, dass Trump am Ende freigesprochen werde. Diese Entscheidung könnte Trump eher nutzen. Ähnlich wie bei der Russland-Affäre könnte sich Trump durch den Freispruch in der Öffentlichkeit als Opfer einer Kampagne darstellen und sagen, dass an den Vorwürfen nichts dran sei. Aus dem Verfahren könnte er gestärkt hervorgehen, obwohl er sich genau der Vergehen schuldig gemacht habe, die ihm vorgeworfen werden.
Martin glaubt, dass das Impeachment für die politische Zukunft der USA von großer Bedeutung sei und dass vielleicht auch der ein oder andere Republikaner sich von den Belegen überzeugen lässt und für eine Amtsenthebung stimmt.
Impeachment als politischer Wegweiser
Würde der Kongress jetzt auf das Amtsenthebungsverfahren verzichten, lasse er ein wichtiges Kontrollinstrument ungenutzt, argumentiert Martin. Dabei gehe es auch um die Balance zwischen Regierung und Volksvertretung. Würden die Demokraten den Amtsmissbrauch nicht ahnden, wäre das für zukünftige Präsidenten die Einladung, ihr Amt häufiger für innenpolitische Zwecke zu missbrauchen.
"Sollte das Impeachment schief gehen, wird das garantiert auf Trump einzahlen und das würde Trump unter Umständen eine zweite Amtszeit bescheren."
Torben hält dagegen, dass ein Scheitern des Impeachments Trump eine zweite Amtszeit bescheren könnte. "Das ist ja das Letzte, was die Demokraten wollen", sagt Torben.
Scheitern des Impeachments könnte Wiederwahl Trumps begünstigen
Martin stimmt Torben zu, dass genau das passieren könne, dass das Amtsenthebungsverfahren am Ende Trump mehr nütze. Trotzdem sieht Martin vor allem die staatspolitische Verantwortung der Demokraten, "hier ein Stoppschild aufzuzeigen, auch wenn es ihnen bei der nächsten Wahl schadet".
Tatsächlich scheinen alle vorliegenden Belege einen Amtsmissbrauch nachzuweisen, zumindest sagt Torben, dass alle Informationen, die ihm vorliegen, eindeutig zeigen, dass Trump versucht habe, einen persönlichen Vorteil zu erringen. Trotzdem sieht er das Dilemma, dass ein Impeachment am Ende nichts bringe.
"Nach allem, was wir wissen, sieht es ganz klar danach aus, dass er sein Amt missbraucht hat, um einen persönlichen Vorteil daraus zu gewinnen. Trotzdem sind wir in diesem Dilemma, dass das Impeachment am Ende nichts bringt."
Martin hält die Beweislage für erdrückend:
- ein zweiter Whistleblower, der aussagt,
- die Abschrift des Telefonats zwischen Trump und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, die deutlich mache, in welcher Mafia-Manier Trump Selenskyj "um einen Gefallen bitte",
- der SMS-Wechsel zwischen Trumps Sondergesandtem Kurt Volker und dem amerikanischem EU-Botschafter stehe in Zusammenhang mit der US-Militärhilfe für die Ukraine.
Martin ist davon überzeugt, dass noch mehr Beweise auftauchen werden. Außerdem sei der Vorfall überschaubarer als die Russland-Ermittlungen von Sonderermittler Robert Mueller, bei denen über zwei Jahre sehr viele Themen bearbeitet wurden.
Impeachment spaltet die USA
Egal ob das Amtsenthebungsverfahren Erfolg hat oder nicht, spalte es das Land, sagt Torben. Trump würde in seiner Wortwahl immer radikaler werden und spreche bereits von einem Bürgerkrieg in Bezug auf das Impeachment, das drohe das Land zu zerreißen. Dabei versuchten die Demokraten inzwischen nicht die Konfrontation Kongress gegen Präsident in den Vordergrund zu stellen, sondern der Bevölkerung deutlich zu machen, dass es um die Verfassung gehe, berichtet Torben.
"Lange Zeit gab es die zwei Lager bei den Demokraten: Diejenigen, die Trump schon immer impeachen wollten, und die anderen, die dagegen waren. Selbst die, die am skeptischsten waren und gesagt haben, das bringt nichts, sagen, es gibt keine Alternative mehr, wir müssen das durchziehen."
Martin sieht in dem Verfahren bislang zumindest einen Vorteil für die Demokraten: Sie würden viel geschlossener auftreten als zuvor. Bisher hätte es immer zwei Lager gegeben: Die einen waren für, die anderen gegen ein Impeachment. Jetzt seien selbst die Skeptiker, die bezweifelten, dass das Verfahren Aussicht auf Erfolg habe, davon überzeugt, es einzusetzen.