"Flickenteppich" USAEin Jahr nach Ende des Rechts auf Abtreibung
Fast 50 Jahre lang hatten Frauen in den USA das Grundrecht auf einen Schwangerschaftsabbruch – bis der Supreme Court vor genau einem Jahr das Urteil aufhob. Inzwischen regelt jeder Bundesstaat das Recht auf Abtreibung selbst – mit nachhaltigen Folgen für die betroffenen Frauen.
Unter Donald Trump waren drei der neun Richterstellen des höchsten US-Gerichts neu besetzt worden – dadurch wurde der Supreme Court deutlich konservativer. Er hatte danach nur noch drei liberale und sechs konservative Richter*innen, zwei bis drei davon extrem konservativ, berichtet USA-Korrespondentin Doris Simon. Einer dieser Richter hatte das Urteil letztes Jahr auch geschrieben – und gesagt, es sei himmelschreiend falsch gewesen, was vor 49 Jahren entschieden wurde.
Das Urteil zum Recht auf Abtreibung war ein politisches Erdbeben. Die neue Mehrheit am Supreme Court hatte die Entscheidung an die Bundesstaaten gegeben – aktuell können die dortigen Parlamente selbst regeln, ob und wie sie Abtreibungen verbieten oder nicht.
In 14 US-Staaten ist Abtreibung streng verboten
Und das wird auch ganz unterschiedlich gehandhabt: 14 Staaten – von Idaho über Wisconsin, Missouri bis Louisiana – haben die Abtreibung komplett verboten. Dort gibt es auch keine Ausnahme für Vergewaltigung oder Inzest – auch Minderjährige können also quasi per Gesetz gezwungen werden, ein Kind auszutragen.
"14 Staaten – von Idaho über Wisconsin, Missouri bis Louisiana – haben die Abtreibung komplett verboten. Dort gibt es auch keine Ausnahme für Vergewaltigung oder Inzest. In 26 Staaten ist ein Schwangerschaftsabbruch legal."
Eine Reihe von Staaten ist nicht ganz so streng, sondern macht Einschränkungen: Dort darf man dann zum Beispiel nur bis zur sechsten oder 15. Woche abtreiben. Und 26 Staaten haben – teilweise extra noch mal neu in der Landesverfassung – verankert, dass Schwangerschaftsabbruch legal und damit geschützt ist.
Einfach mal eben in den Nachbarstaat fahren ist oft nicht möglich
In den USA gibt es Millionen Menschen in prekären Arbeitsverhältnissen, sagt Doris Simon. Diese Leute hätten oft keinen Zugang zur Krankenversicherung, oft kein Auto – und oft auch kein Internet oder kein Wissen, wo sie sich Hilfe holen können. Einfach so in einen anderen Staat fahren, um dort eine Abtreibung durchführen zu lassen, ist also gar nicht mal eben so einfach möglich. Das Ganze sei eine soziale Frage.
"Es ist ein Flickenteppich. In jedem Staat gilt ein anderes Recht. Als Amerikanerin ist man nicht mehr Amerikanerin, sondern es ist abhängig davon, wo ich lebe, ob ich abtreiben darf oder nicht."
Wer die finanziellen Mittel und das Wissen, wie man sich organisieren kann, nicht hat – und das seien sehr, sehr viele Amerikanerinnen – habe praktisch keine Optionen, außer das Kind zu bekommen – oder es möglicherweise illegal abzutreiben.
28 Millionen Frauen betroffen
Mit der Entscheidung des Supreme Court sind am Ende also auch gesundheitliche Risiken verbunden. Mehr als 28 Millionen Frauen leben in den Bundesstaaten, in denen eine Abtreibung jetzt verboten ist – und ein großer Anteil der Frauen, die in der Vergangenheit auch eine Abtreibung haben vornehmen lassen, berichtet Doris Simon.
Frauen, die wenig Bildung und wenig finanzielle Mittel haben, seien überdurchschnittlich hart betroffen.
Wahlkampfthema zugunsten der Demokraten
Für die Demokratische Partei von US-Präsident Biden habe sich das Thema "als ein ganz klares Gewinnerthema entpuppt", berichtet unsere Korrespondentin. Bei der Wahl zum Supreme Court in Wisconsin hätten es die Demokraten zum Beispiel geschafft, so viele Menschen zu mobilisieren, dass die Richterin, die pro Abtreibung war, gewählt wurde.
Die Republikaner bringe das Thema in eine schwierige Situation: Für die Abtreibungsgegner war das Urteil im letzten Jahr nämlich eigentlich nur der erste Schritt – sie wollen, dass die Abtreibung überall in den USA illegal wird. Die Republikanischen Präsidentschaftskandidaten wissen allerdings genau, dass inzwischen eine Mehrheit in den USA für das Recht auf Abtreibung ist und sie moralisch vertretbar findet. Deshalb würden sie versuchen, sich bei dem Thema nicht allzu sehr festzulegen.