US-WahlWahlumfragen sahen Clinton vorne - und lagen gar nicht so falsch
In Umfragen lag die US-Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton vorne - gewonnen hat Donald Trump. Lagen sie alle falsch? Ganz und gar nicht: Nach dem National Vote, alle Stimmen über die Bundesstaaten hinweg, ist Hillary Clinton die Siegerin. Aber es gab durchaus auch Umfragen, die konstant Donald Trump als Gewinner ermittelten.
Viele sind schockiert über das Ergebnis der US-Wahl. Präsidentschaftskandidat Donald Trump hat seine Konkurrentin Hillary Clinton abgehängt. Einige Vorwahlumfragen hatten das genaue Gegenteil vorhergesagt. Nico Siegel, Geschäftsführer von Infratest Dimap, erklärt, dass die Umfragen nicht komplett falsch lagen: Beim National Vote, alle Stimmabgaben über die Grenzen der Bundesstaaten hinweg, liegt Hillary Clinton mit circa 120.000 Stimmen vorne.
"Alle seriösen Wahlforscher betonen, dass Vorwahlerhebungen nicht mit Prognosen zu verwechseln sind."
Die überwiegende Mehrheit der Umfragen, die als Vorwahlerhebung durchgeführt werden, die dadurch per Definition keine Prognosen sind, hatten leicht Hillary Clinton, andere Donald Trump vorne gesehen. Die Umfragen seien lediglich Stimmungsmessungen an bestimmten Tagen, die aber nach ihrer Veröffentlichung wie Prognosen gehandelt würden, sagt Nico Siegel.
Eine Prognose sei zum Beispiel die Umfrage, die das Meinungsforschungsinstitut am Wahlsonntag durchführe. Dabei werden die Wähler nach der Stimmabgabe gefragt, für wen sie ihre Stimme abgegeben haben. Daraus können die Statistiker dann eine Prognose erstellen.
Die Tendenzen der Vorwahlerhebungen waren mehrheitlich falsch, sagt Nico Siegel. Dennoch hätte es auch ein paar Erhebungen gegeben, die richtig lagen und Donald Trump vorne sahen. Bei der Vorwahlerhebung auf nationaler Ebene lag Hillary Clinton bei 47 Prozent. Bei den Auszählungen, die aber noch kein amtliches Endergebnis darstellen, ist sie bei 47,6 Prozent letztlich gelandet.
Überzogene Kritik an Meinungsforschungsinstituten
Der Stimmenanteil für Donald Trump weicht um zwei bis drei Prozentpunkte ab, erklärt Nico Siegel. "Das liegt in dem Bereich, was man statistisch als Fehlerkorridore bezeichnet," sagt der Meinungsforscher. Die meisten Umfragen hätten sich in diesem Korridor bewegt: "Da kann man nicht von falsch reden, sondern das ist in der üblichen Schwankungsbreite," sagt Nico Siegel. "Letztendlich schießt das Ausmaß der Kritik ein bisschen übers Ziel hinaus, trotzdem müsse man offen dafür sein, wie man die Prognosegüte insbesondere von Wahltagsbefragung weiter verbessern kann," resümiert Nico Siegel.
"Es ist schwieriger, Menschen mit rechtspopulistischen Einstellungen so präzise abzubilden, wie die, die sich entlang anderer politischer Neigungen orientieren."
Mindestens 20 bis 25 Prozent der Umfragen, so Nico Siegel, hätten durchaus Donald Trump vor Hillary Clinton ermittelt. Einige Meinungsforschungsinstitute hätten konstant einen Vorsprung für Donald Trump errechnet. "Letztendlich haben wir es mit geheimen Wahlen zu tun. Ob dann jemand am Tag der Wahl wirklich das in die Tat umsetzt, was er vorher gesagt hat, das er tun möchte, das wissen wir nicht. Wahlkampfkampagnen zielen ja gerade darauf ab, die Unentschlossenen noch zum Schluss zum Wählen zu bewegen," stellt Nico Siegel fest.
Rechtes Spektrum schwer in Umfragen abzubilden
Ein Grund für die schwierige Erfassung von Einstellungen am rechten politischen Rand sei der Shy Tory Factor. Britische Meinungsforscher hätte vor Jahren schon festgestellt, dass konservative Wähler eher mit ihrer Meinung hinterm Berg halten.
Ein weiterer Grund sei, sagt Nico Siegel, Wähler aus dem rechten Spektrum überhaupt für derartige Vorwahlumfragen zu gewinne. Deshalb würden deutsche Meinungsforscher "auf Basis des Erfahrungswissens die Schätzmodelle entsprechend kalibriert, um möglichst nah an den Wert in der Gesamtbevölkerung heranzukommen".
"Ich kann mir eine Demokratie ohne Demoskopie nicht vorstellen."
Wähler, die sich durch Wahlprognosen oder Tendenzen beeinflussen lassen, sagt Nico Siegel, stellen eine Minderheit dar, die dann wahltaktisch ihre Stimme abgebe. Ob das bei der US-Wahl ein wahlentscheidender Faktor gewesen sei, könne man zum derzeitigen Stand noch nicht beantworten.
Die Politiker und auch die Bevölkerung haben ein Interesse daran, wie das Stimmungsbild ist, sagt Nico Siegel. Außer der "Sonntagsfrage" gebe es auch andere Themen, die von großem Interesse seien wie Mindestlohn, Rente oder Außenpolitik. Allein diese Tatsache rechtfertige, weiterhin Meinungsumfragen zu erstellen.