Urteile des BundesverfassungsgerichtsWas Holocaust-Leugnung von Verharmlosung unterscheidet
Wer den Holocaust leugnet, der kann in der Regel bestraft weren. Wer den Holocaust verharmlost aber nicht unbedingt. Welchen Unterschied das Bundesverfassungsgericht da macht, klären wir.
Zwischen 1941 und 1945 ermordeten die Nazis Schätzungen zufolge zwischen 5,6 und 6,3 Millionen Juden. Der nationalsozialistische Völkermord ist eine Tatsache, und wer sie leugnet, der kann bestraft werden. So wie die 89-Jährige Ursula Haverbeck: Die Holocaust-Leugnerin hatte wiederholt behauptet, das Konzentrationslager Auschwitz sei kein Vernichtungs-, sondern ein Arbeitslager gewesen und die massenhafte Ermordung von Menschen jüdischen Glaubens in den Gaskammern könne so nicht passiert sein.
Dafür wurde Haverbeck vom Landgericht Verden wegen Volksverhetzung in acht Fällen zu zwei Jahren Haft verurteilt. Seit Mai sitzt sie ihre Haftstrafe ab. Mit einer Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht ist sie gescheitert.
"Die Leugnung des Holocaust ist ein Unterfall der Volksverhetzung nach §130 des Strafgesetzbuchs."
Die Leugnung des NS-Völkermordes stellt eine erwiesen unwahre und falsche Tatsachenbehauptung dar und ist nicht vom Grundrecht auf Meinungsfreiheit gedeckt, sagt das Bundesverfassungsgericht.
Unsere Korrespondentin in Berlin, Gudula Geuther, sagt dazu: "Es ist gefestigte Rechtssprechung, dass man sich bei einer unwahren Tatsachenbehauptung nicht auf die Meinungsfreiheit berufen kann." Die Richter hätten das nun noch einmal betont.
"Wer den Holocaust leugnet, der billigt ihn im Prinzip auch - mit dieser Begründung haben die Richter die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen."
Dazu kommt: Wer den Holocaust leugnet, der billigt ihn im Prinzip auch. Und das störe den öffentlichen Frieden, meinen die Richter. Denn der Holocaust richtete sich gezielt gegen bestimmte Personengruppen. Eine Leugnung dessen kann gezielt als Aggression gegen diese Gruppen eingesetzt werden.
Andere Verfassungsklage war erfolgreich
In einem anderen Fall gaben die Richter einer Verfassungsklage allerdings statt. Dabei ging es um einen Mann, der auf seiner Internetseite Dritte zitiert, die die Wehrmachtsausstellung "Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941-1944" kritisieren. In der Ausstellung gab es tatsächlich inhaltliche Fehler. "Der Mann hat aber auch den Verantwortlichen der Ausstellung Volksverhetzung vorgeworfen, den alliierten Siegermächten Lügenpropaganda und Holocaust-Überlebende werden bezichtigt, mit Vorwürfen über die Massenvernichtung Geld zu verdienen - und zwar auf heftige Weise", so unsere Korrespondentin über den Fall.
Beunruhigende Meinungen aushalten
Die Richter nennen den Sachverhalt eine Verharmlosung des Holocaust. In solchen Fällen müsse einzeln geprüft werden, ob diese Aussagen den öffentlichen Frieden stören. Im vorliegenden Fall wurde das noch nicht geprüft und muss nun noch nachgeholt werden.
Fest steht nun aber Folgendes: Eine Verharmlosung des Holocausts allein erfüllt - im Gegensatz zur Leugnung - nicht automatisch den Straftatbestand der Volksverhetzung.
"Die mögliche Konfrontation mit beunruhigenden Meinungen, auch wenn sie in ihrer gedanklichen Konsequenz gefährlich und selbst wenn sie auf eine prinzipielle Umwälzung der geltenden Ordnung gerichtet sind, gehört zum freiheitlichen Staat."
Für eine Verurteilung zur Volksverhetzung reicht die Vergiftung des geistigen Klimas nicht aus, sagten die Richter. Das Gericht breche damit eine Lanze für die Meinungsfreiheit, meint Gudula Geuther.
Zusammenfassend könne man sagen: Die Holocaust-Leugnung ist in der Regel strafbar, die Verharmlosung nicht unbedingt - in diesem Fall muss eigens begründet werden. Und: Mit Meinungen, auch schwer erträglichen, müssen wir uns in der gesellschaftlichen Diskussion auseinandersetzen. Das Strafrecht greift da, wo Fakten bewusst umgedreht werden.