Mutter aller MaßeDas Urkilo soll in Rente
Ein Kilo sind 1000 Gramm. Klar. Aber woran orientiert sich die Masse? Am Urkilogramm. Das ist 130 Jahre alt und wohnt in einem Tresor nahe Paris. Das Problem: Es hat Gewichtsschwankungen.
Ein Klotz aus Platin-Iridium ist seit 1889 die Bezugsgröße, wenn es um die Maßeinheit Kilogramm geht. Der silberne Zylinder steckt unter zwei Glasglocken, die ihn vor Staub und Ablagerungen schützen sollen. Trotzdem lagert sich immer mal wieder etwas ab. Dann wird das Urkilo minimal schwerer. Wird es dann gesäubert, wird es minimal leichter.
Metrologen, also Wissenschaftler, die sich mit Maßeinheiten beschäftigen, wollen deshalb eine neue Referenzgröße für das Kilo. Und deshalb sitzen Vertreter von 57 Nationen zusammen, um das physische Urkilo durch eine neuere Methode zu ersetzen.
"Alle Gewichtsstücke auf der Welt sind letztlich auf dieses eine Ding geeicht - auch das Gewichtsstück auf der Waage bei meinem Gemüsehändler."
Das schwer bewachte Ur-Maß ist vergleichsweise unscheinbar: Ein Metallzylinder von knapp vier Zentimetern Höhe und Durchmesser. Das kostbare Stück wird von Zeit zu Zeit mit Hirschleder poliert und kommt dann in ein Dampfbad, erklärt Wissenschaftsjournalist und Physiker Frank Grotelüschen. Diese Prozedur hat über die Zeit dazu geführt, dass das Urkilo leichter geworden ist - nämlich um 50 Mikrogramm.
"Da das Urkilo nun mal das Maß aller Dinge ist, müsste man eigentlich alle anderen Gewichte auf der Welt anpassen und leichter machen. Das ist natürlich ein Unding."
Ablösung durch die Planck-Konstante
Metrologen hätten gerne eine Ablösung der Planck-Konstante. Die Naturkonstante gehört zu den Grundgrößen der Welt. Das heißt, sie ist ein Wert, der sich nach heutigem Wissen niemals verändert und überall gleich ist. Allerdings ist die Planck-Konstante nicht annähernd so greifbar, wie das Urkilo, das immerhin physisch existiert.
Die Planck-Konstante wird definiert durch eine komplizierte mathematische Formel. Das Problem: Bevor man die Planck-Konstante verwenden konnte, musste man sie erst mal so präzise wie nur möglich vermessen. Eine Aufgabe, mit der sich Forscherteams weltweit in den letzten zehn Jahren Tag und Nacht beschäftigt haben. Unter anderem an der PTB, dem Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Braunschweig.
"Unser Tagewerk besteht in einem Abtrag von ungefähr 20 Milligramm beim Polieren. Das ist ungefähr ein Nanometer pro Minute. Ihr Haar wächst hundertmal schneller - so langsam arbeiten wir hier."
Die Wissenschaftler am PTB haben die rundeste Kugel der Welt hergestellt und mit Lasern ausgemessen. Danach wussten sie: Eine Kugel besteht aus soundsoviel Atomen - und daraus konnten sie dann den genauen Wert der Planck-Konstante berechnen. Damit die Kugel aus Silizium nahezu perfekt rund ist, musste sie zwei Monate lang poliert werden.
Aber: Die Geduld hat sich gelohnt. Denn jetzt kennen die Wissenschaftler die Planck-Konstante genau genug, um das alte Urkilogramm endlich in Rente zu schicken. Und zwar im nächsten Mai, das will die Internationale Konferenz für Maß und Gewicht am 16. November 2018 beschließen.
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