Umgang mit rechtswidrigen InhaltenVerfahren gegen Twitter: Zwei Nutzer leisten Behördenarbeit
Gegen Hassnachrichten und Hetze geht Twitter laut Bundesamt für Justiz unzureichend vor. Die Behörde hat deswegen jetzt Konsequenzen gezogen. Die entscheidende Arbeit dafür haben allerdings zwei deutsche Twitternutzer geleistet.
Anfang April hat das Bundesamt für Justiz ein Verfahren gegen Twitter eingeleitet. Die Behörde wirft der Plattform "systemisches Versagen im Beschwerdemanagement" vor. Twitter droht deswegen eine Bußgeldstrafe in zweistelliger Millionenhöhe.
Die entscheidenden Beweise für das Verfahren hat allerdings nicht das Bundesjustizamt selbst gesammelt, sondern zwei deutsche Twitternutzer*innen. "Weil die Aufsichtsbehörden bisher eher als zahnlos galten, haben die User @bastelbro1 und @sabi_ri, die Sache selbst in die Hand genommen", sagt Deutschlandfunk-Nova-Netzreporterin Martina Schulte.
Im Alleingang gegen Twitter
Die beiden User*innen haben die Plattform monatelang in ihrer Freizeit auf rechtswidrige Inhalte durchsucht und diese dort gemeldet. Denn: Social-Media-Plattformen wie Twitter sind dazu verpflichtet, Beiträge, die Beleidigungen, Drohungen, Verleumdungen oder Falschnachrichten enthalten, zu überprüfen, wenn sie gemeldet werden.
Bestätigt sich der Verdacht als rechtswidriger Inhalt, muss die Plattform den Beitrag löschen oder sperren. Laut dem deutschen Netzwerkdurchsetzungsgesetz muss das zeitnah innerhalb von sieben Tagen beziehungsweise 24 Stunden geschehen.
"Die Arbeit der deutschen Twitternutzer*innen legt den Finger genau in Wunde. Sie ist ein überfälliger Wake-Up-Call für die Behörden, künftig genauer hinzuschauen."
Soweit zumindest die gesetzliche Vorgabe. Die Praxis sieht – wie das Beispiel Twitter zeigt – oft anders aus. Die Grundlage für das Bußgeldverfahren des Bundesjustizamts gegen die Plattform bilden 340 Beiträge mit Inhalten wie übler Nachrede, Bedrohung und auch Volksverhetzung. Diese mutmaßlichen Verstöße sollen die beiden Twitternutzer*innen der Plattform zwischen September 2022 und Januar dieses Jahres gemeldet haben, wie sie T-Online.de erzählt haben.
Wenn Twitter die entsprechenden Beiträge nicht entfernt hat, hätten sie die Inhalte der Plattform erneut gemeldet und die mutmaßlichen Verstöße zusätzlich an das Bundesamt für Justiz weitergeleitet. So kam es zur Einleitung des Verfahrens. Wenn sich das zuständige Amtsgericht in Bonn der Justizbehörde anschließt, droht Twitter die Millionenstrafe.
Gegen Hass und Hetze im Netz
Die beiden Twitteruser*innen verstehen sich als sogenannte Hate Rangers. Ihre Motivation sei es, sich dafür einsetzen, dass es weniger Hass und Hetze im Netz gibt – dafür würden sie auch ihre Freizeit opfern. Ihre Arbeit möchten sie auch in Zukunft fortführen. Bisher ist über die beiden nur bekannt, dass er als Landesbediensteter und sie als Einkäuferin in einem kleinen Unternehmen arbeitet.
Netzreporterin Martina Schulte findet diese Geschichte auf der einen Seite beeindruckend. Auf der anderen Seite "ist das erschütternd. Denn das wäre eigentlich die Aufgabe der zuständigen Behörden", sagt sie. Sie sieht das Engagement der Twitteruser*innen als einen Weckruf für die Behörden an, in Zukunft besser hinzuschauen.