UnsicherheitWenn wir denken, dass Freunde uns nicht mögen
Sehr gute Freundinnen sind sie – seit der Vorschulzeit. Und trotzdem zweifelt Kathy manchmal. Sie beschreibt, wie sich das anfühlt. Michaela Muthig hat darauf einen professionellen Blick. Sie ist Ärztin, Psychotherapeutin und Coach.
Eine gehobene Augenbraue, die ein bisschen veränderte Stimme oder verschränkte Arme reichen aus. Dann geht Kathy direkt in den Alarmmodus und denkt, dass ihre gute, langjährige Freundin sie nicht mehr mag. Eine kleine Meinungsverschiedenheit reicht manchmal aus und sie analysiert die Gestik und Mimik ihrer Freundin ganz, ganz genau. Im Ergebnis zweifelt sie stark an sich selbst und der freundschaftlichen Beziehung.
"Jetzt ist aufgefallen, dass ich eigentlich total die schlechte Freundin bin oder ein schlechter Mensch."
Angesprochen hat Kathy diesen Effekt gegenüber ihrer Freundin noch nicht. Sie habe sich schließlich weiterentwickelt. Sie hat es sich aber vorgenommen und sagt: "Ich möchte nicht, dass sie denkt, dass ich immer noch so bin wie früher." Sie habe ein bisschen Sorge, dass dann bei ihrer Freundin die Alarmglocken angehen und sie direkt in die Defensive gehe.
Spuren der Kindheit
Kathys Überreaktion hat mit ihrer eigenen Kindheit zu tun, ist sie überzeugt. "Ich habe schon sehr jung gelernt, dass nichts für immer ist und man alles und jeden jederzeit verlieren kann." Auch deswegen projiziere sie Vieles auf sich und analysiere das Verhalten ihrer Mitmenschen, um es einordnen zu können. Kommt nun Strafe oder Belohnung? Um diese Frage ging es in ihrer Kindheit.
"Ich habe gemerkt, dass wenn man der Angst mit Logik begegnet, dass man sie dadurch aushebeln kann."
Kathy hat es geholfen, dass sie die eigenen Gedanken aus solchen Situationen aufgeschrieben hat. "Das hilft schon immens, einfach mal wieder ein bisschen klarer zu denken", findet sie. Darüber hinaus hat Kathy gute Erfahrungen mit Hypnose, Meditation und Yoga gemacht. In ihrem persönlichen Fall hat auch eine Therapie Hilfe gebracht, berichtet sie.
Hilfreiche Notizen
"Gerade die Dinge, die nicht zu unserer Überzeugung passen, die vergessen wir", sagt Michaela Muthig. Das passt zu Kathys Angewohnheit, sich Notizen zu machen. Michaela Muthig ist Ärztin, Psychotherapeutin und arbeitet auch als Coach.
"Wir schaffen uns unsere Wirklichkeit selbst – auch die Wirklichkeit, keine gute Freundin zu sein", sagt sie. Die Ärztin empfiehlt, gerade positives Feedback von anderen (auch wenn es nur ganz kleine Sachen sind), aufzuschreiben und sich ab und zu in diese Notizen zu vertiefen.
Hilfreich kann es auch sein, sich in die Rolle des Gegenübers hineinzuversetzen. Dann treten die unterschiedlichen Maßstäbe, mit denen wir uns und andere messen, deutlich zu Tage. Beispielsweise bei Unpünktlichkeit, beim grundsätzlichen Einhalten von Verabredungen oder bei unserer Geduld für die Ego-Monologe des Gegenübers.
"Leider achten wir genau auf das negative Feedback. Und das positive Feedback überhören wir dann geflissentlich."
Im Ergebnis können wir dann vielleicht feststellen, dass wir auch dann liebenswert sind, wenn wir eben nicht immer die perfekte "Freundschaftsleistung" bringen, hofft sie.
**********
Hinweis in eigener Sache an alle Ab-21-Fans
Löchert ihr eure Freund*innen jedes Mal mit Fragen zu deren Beziehungen? Seid ihr superneugierig, beobachtet gerne andere Menschen und seid gut darin, eure Freunde zu unterhalten? Dann seid ihr genau richtig für unser Ab-21-Team. Wir suchen immer wieder neue Leute, die Teil unseres Teams werden wollen. Wenn ihr jetzt denkt "Yesss!", dann: