Unruhig ReisenWird Fliegen turbulenter?
Anschnallen bitte: Turbulenzen im Flieger können Reisende und Crew gefährden. Verschärft der Klimawandel sie noch? Für den Piloten Suk Jae Kim gehören schwierige Flugbedingungen zum Alltag. Der Flugmeteorologe Klaus Sturm kennt das Wetter dahinter.
Turbulenzen sind für ihn kein Akt, sagt er. Er stellt beim Autopilot einfach die Geschwindigkeit ein. Das sei alles, meint der Pilot Suk Jae Kim. Sein Standardfluggerät ist momentan eine Boeing 747.
Klar, das Anschnallzeichen machen sie nur an, wenn es so richtig wackelig werden könnte. Wann genau, ist schriftlich festgelegt. Wenn dann auch alle angeschnallt sind, also Passagiere und Crew, seien Turbulenzen eigentlich nur eine kurzzeitige Veränderung der Reisebedingungen, sagt Suk Jae Kim. Kein Grund zur Aufregung. Verletzen könne man sich dann nur, wenn man nicht angeschnallt sei.
"Die Leute denken immer, wir wären da vorne am Schwitzen, am Arbeiten. Wenn alle angeschnallt sind, sind wir eigentlich völlig relaxt."
Allgemein gelten Gebiete in Äquatornähe als turbulenter. Überall dort, wo es hoch aufgetürmte Wolkenschichten gibt und viel temperaturbedingte Bewegung in der Luft ist, erklärt Suk Jae Kim. Eventuell trifft der Pilot dann die Entscheidung solche Gebiete zu um-, zu über- oder zu unterfliegen.
"Je nachdem, was für einen Flugzeugtyp du hast. Da ist eine Geschwindigkeit für Turbulenzen ideal. Dafür hast du eine Range."
Bei Flug SQ321 der Singapur Airlines von London nach Singapur am 21.05.2024 waren die Turbulenzen allerdings so heftig, dass etwa 30 Menschen verletzt wurden. Ein britischer Tourist kam zu Tode. Er ist vermutlich an den Folgen eines Herzinfarkts gestorben. Das Flugzeug musste in Bangkok notlanden.
Turbulenzen und Gewitter
Die amerikanische Luftfahrtbehörde hat für die Zeit von 2009 bis 2021 Zahlen zu Turbulenzen veröffentlicht: Im gesamten Zeitraum sind demnach 30 Passagiere und 116 Crewmitglieder durch Turbulenzen verletzt worden.
Außerdem kosten Turbulenzen die amerikanische Luftfahrtindustrie jährlich bis zu 500 Millionen Dollar. "Deswegen wird intensiv daran geforscht, wie man Turbulenzen besser vorhersagen kann, und wie man den Flug für die Crew und Passagiere sicherer macht", sagt Deutschlandfunk-Nova-Reporterin Minh Thu Tran.
Klaus Sturm arbeitet aktiv daran, dass Flüge möglichst ruhig verlaufen: Er ist Flugmeteorologe beim Deutschen Wetterdienst. Pilotinnen und Piloten, Airlines und das Personal der lotsenden Luftraumüberwachung arbeiten mit seinen Daten. Klaus Sturm unterscheidet zwischen:
- Clear Air Turbulence
- Turbulenzen in Verbindung mit schwerem Gewitter
Clear-Air-Turbulenzen sind für Pilotinnen und Piloten mit dem Auge nicht sichtbar. Sie treten bei sehr starken, sich ändernden Windgeschwindigkeiten auf.
"Jetstreams haben typischerweise Geschwindigkeiten von 125 bis 250 Kilometern pro Stunde. Es gibt sogar gemessene Windgeschwindigkeiten von 400 Kilometern pro Stunde."
Der Singapur-Airlines-Flug SQ321 sei nicht in eine Clear-Air-Turbulenz geraten, davon ist Klaus Sturm überzeugt. Aus wissenschaftlichem Interesse habe er sich die Sache angesehen: "Es gibt doch deutliche Anzeichen dafür, dass es Gewitter waren", sagt er.
Auch wenn die Datenlage noch sehr dünn sei, deute einiges darauf hin, dass mit einer stärkeren Erwärmung künftig die Intensität sowohl von Gewittern als auch von Clear-Air-Turbulenzen zunehmen werde. Für die Jahre 1979 bis 2020 gibt es dazu eine entsprechende geophysische Untersuchung der Universität Reading.
Künftig könnte es mehr unruhige Flüge geben
Wenn es für den Piloten Suk Jae Kim nur Routine ist, durch Turbulenzen hindurchzusteuern, sollte es also für Reisende Routine sein, sich anzuschnallen, wenn das Zeichen leuchtet.
Überhaupt wünscht er sich, dass alle Passagiere den Anweisungen des Personals folgen. Er beobachtet, dass die Leute, die er herumfliegt, insgesamt aggressiver geworden sind.
"Wir machen die Anschnallzeichen natürlich nicht aus Spaß an."