UngarnOrbán will Gender-Studies abschaffen
Die Regierung von Viktor Orbán will durchsetzen, dass an ungarischen Universitäten keine Gender-Studies unterrichtet werden. Die Begründung: es gäbe keine Jobs für die Absolventen.
In der vergangenen Woche wurde der Entwurf einer Ministerialverfügung bekannt, der Hochschulen in Ungarn untersagt, Geschlechterforschung zu unterrichten. Die offizielle Begründung der rechtskonservativen Regierung lautet, dass es für Absolventen des Studiums keine Arbeitsmarktchancen gäbe. Der stellvertretende ungarische Ministerpräsident Zsolt Semyen umschrieb dies mit einer Wortneuschöpfung, er sagte: "Niemand will 'Genderologen' anstellen."
Genderstudies widersprechen einem konservative Weltbild
Neben der offiziellen Variante gibt es noch einen anderen Erklärungsansatz, warum ein kleiner Studiengang in den Fokus der Regierung gerate, erläutert Srdjan Govedarica, ARD-Korrespondent für Ungarn.
So befassen sich Gender-Studies als Zweig der Sozialwissenschaft mit den gesellschaftlich Aspekten von Geschlecht und betrachten beispielsweise Geschlecht als soziales Konstrukt. Eine Sichtweise, die der rechtskonservativen Partei von Viktor Orbán widerstrebe.
"Das widerspricht eben diesem konservativen Weltbild, wonach die traditionelle Rollenverteilung von der Natur vorgegeben - und wenn man so will - von Gott gewollt ist."
Betroffen von dieser Entscheidung sind die Studiengänge zweier Budapester Universitäten. An der staatlichen Eötvös Loránd Universität (ELTE) und der privaten Central European University (CEU) sind jeweils etwa 20 Studierende für das Fach eingeschrieben. An der ELTE wird Gender Studies erst seit 2017 angeboten.
Verhaltene Kritik
Vorige Woche erhielten die Unis einen Brief, mit dem Aufruf, sich binnen 24 Stunden zu äußern. Bis jetzt gibt es zwar Wortmeldungen und kritische Stimmen, aber keine größeren Proteste. Das könnte auch am Zeitpunkt der Veröffentlichung in den Semesterferien liegen, erklärt Srdjan.
Geäußert hat sich bereits die staatliche Uni ELTE. "Die Kritik klingt aber sehr zaghaft", so Srdjan. Sinngemäß: Man sei bereit, eine Debatte darüber zu führen, aber das ginge nicht über Nacht.
"Für mich klingt das ein bisschen, als wolle man sich nicht mit dem mächtigen Ministerium anlegen, das auf der Kohle sitzt."
Von der privaten CEU gibt es bisher keine offizielle Rückmeldung auf das Schreiben. "Das ist interessant, weil sie von der ungarischen Regierung immer wieder unter Druck gesetzt wird", sagt Srdjan Govedarica. Die Universität wird vom US-Milliardär George Soros finanziert. "Und der ist für die ungarische Regierung so etwas wie der Staatsfeind Nummer Eins", so unser Ungarn-Korrespondent.
Erst im letzten Jahr stand die Privatuni wegen eines neuen Finanzierungsgesetzes kurz vor der Schließung. Es hatte jedoch zahlreiche Proteste gegeben, und die Uni erhielt erneut eine Akkreditierung.
Noch ist nicht klar, ab wann die Studiengänge eingestellt werden. So ist das Bewerbungsverfahren für das kommende Semester bereits abgeschlossen, möglicherweise können die bereits zugelassenen Studenten das Studium gar nicht aufnehmen. Ebenfalls ungewiss ist, inwieweit die Verordnung überhaupt rechtmäßig ist.
"Es gibt viele in Ungarn, die bezweifeln, ob das überhaupt verfassungskonform ist. Denn auch die ungarische Verfassung garantiert die Freiheit von Bildung und Forschung."
Noch gibt es keine Klagen gegen die neue Verordnung. Aber man sei besorgt, dass sich daraus ein Kulturkampf entwickeln könnte, sagt Srdjan Govedarica. Eine solche Einflussnahme habe es bisher nicht gegeben: "Das ist eine Premiere im postkommunistischen Ungarn. In den 50ern Jahren hat es den Versuch gegeben, Soziologie zu verbieten."
Entkräftet wird aber schon jetzt das Argument der fehlenden Jobchancen. Und zwar von einer Gründerin des Faches an der CEU. Sie twitterte, dass die meisten der Absolventen gute Jobs gefunden hätten - zum Teil in der öffentlichen Verwaltung.
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