Deutsche (Un-)EinheitEin nationaler Austausch könnte Ost- und Westdeutsche zusammenbringen
Die Mauer ist weg, Deutschland ist seit fast 35 Jahren wiedervereint – das klingt nach einem Happy End. Doch seit der Europawahl, bei der die AfD in allen ostdeutschen Bundesländern am besten abgeschnitten hat, wird wieder viel über "den Osten" und "den Westen" gesprochen und warum "die da drüben" so gewählt haben. Thüringens Ministerpräsident Ramelow macht sich Sorgen um den Zusammenhalt in Deutschland.
Dass über den Osten gesprochen wird, findet Torsten Menzel grundsätzlich gut. Er arbeitet für das Netzwerk 3. Generation Ost, das dem Osten Deutschlands eine Stimme geben und gegen Stereotype vorgehen will. Er freut sich, wenn sich Leute auf beiden Seiten der schon lange nicht mehr bestehenden physischen Grenze Gedanken machen – Gedanken über die Frage, warum es immer noch Unterschiede gibt – und was das mit ihnen macht.
Gleichzeitig ist ihm wichtig, dass nicht wieder in die Klischeekiste gegriffen wird.
"Ich freue mich immer, wenn das Thema in der Gesellschaft diskutiert wird. Gleichzeitig nervt es natürlich, wenn dann mal wieder tief in die Klischeekiste gegriffen wird."
Schaut man die letzten 15 Jahre zurück ist die Debatte um Ost und West heute gesellschaftlich deutlich präsenter geworden. In Dokumentationen, Filmen oder in Form von Musik beschäftigen sich die Menschen mit den Fragen: Was ist der Osten? Warum ist er anders und was ist das für eine Identität?
Doch auch auf politischer Ebene müssten vielleicht Konsequenzen gezogen und Maßnahmen ergriffen werden, fordert Torsten Menzel.
Vorschlag: Nationaler Schüleraustausch von West nach Ost
Hendrik Wüst, Ministerpräsident von Deutschlands größtem Bundesland Nordrhein-Westfalen, hat jüngst vorgeschlagen, junge Menschen aus dem Westen der Republik sollten einen Austausch mit Menschen aus dem Osten machen. Denn genau wie etwa auch Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow macht sich Wüst Sorgen um den Zusammenhalt in Deutschland.
Die Idee, Menschen in ihrem Alltag zusammenzubringen, um sich kennenzulernen, funktioniert international auf jeden Fall. Warum sollte das nicht auch innerhalb Deutschlands funktionieren? Schon ewig gibt es Austauschprogramme zwischen Deutschland und Frankreich oder Polen, sagt Torsten Menzel.
"Man bringt Menschen in ihrem Alltag zusammen und lässt sie sich gegenseitig kennenlernen. Das hat international auf jeden Fall funktioniert."
Anstatt als Party-Reise nach Barcelona oder Prag zu fahren, könnten Klassenfahrten zukünftig zum Beispiel nach Dresden führen. So bekämen die Schüler*innen ein Gefühl für die unterschiedlichen familiären und wirtschaftlichen Geschichten aus der Region.
Die positiven Geschichten aus dem Osten werden selten erzählt
Torsten Menzel ist es wichtig, neben den vielen Herausforderungen im Osten Deutschlands auch die positiven Geschichten zu erzählen. Es gibt beispielsweise viele Betriebe, die seit der Wiedervereinigung wieder privatisiert wurden und heute 25 oder 30 Jahre Betriebsjubiläum feiern. Ein weiteres Beispiel ist Staffbase, ein milliardenschweres Software-Unternehmen, das seinen Hauptsitz in Chemnitz hat.
"Es braucht beide Perspektiven! Viele Leute mussten und wollten sich hocharbeiten. Sie haben das gemacht und sind erfolgreich in der Wirtschaft und anderen Institutionen."
Stattdessen würden häufig die Geschichten rausgekramt von den Unzufriedenen in Ostdeutschland, die damit hadern, dass nach der Wiedervereinigung nicht alles perfekt gelaufen ist. "Es braucht beide Perspektiven!" kritisiert Torsten Menzel. Es gebe durchaus viele Aufsteigergeschichten von Leuten, die sich hochgearbeitet haben.
Info: Unser Bild oben zeigt das "Grüne Band" am "Point Alpha" in der Rhön zwischen Thüringen und Hessen; Blick auf den ehemaligen Grenzturm der DDR Grenztruppen nahe Geisa, Thüringen.