Menschen in der Ukraine und in Russland"Meine Eltern sind in einer anderen Welt aufgewacht"
Innerhalb kürzester Zeit ist der Krieg in der ukrainischen Hauptstadt angekommen. Und im ganzen Land. Was macht das mit den Menschen, die davon betroffen sind? Lisa ist Ukrainerin und lebt in Berlin. Zoe ist Russin, lebt in Moskau und ist gegen den Krieg. Nataliia studiert in Bayern, sie sorgt sich um ihre Familie, die in Kiew und der Zentralukraine lebt.
Lisa ist Ukrainerin und lebt seit 2016 in Berlin. Ihre Eltern und ihr Großvater leben aber vier Stunden von Donezk entfernt. Sie sind vom Bombenlärm aufgewacht, als Russland die Ukraine angriff. Ihre Mutter rief Lisa sofort an – so hat sie vom Beginn des Krieges erfahren.
"Niemand hat erwartet, dass es so schnell anfangen kann, dass der Krieg einfach da ist."
Ihre Familie wolle das eigene Haus nicht verlassen. Sie täten sich schwer damit, weil sich alles sehr schnell ändern kann, sagt Lisa. Schon seit Monaten falle es vielen Menschen in der Ukraine psychisch schwer, ihr Zuhause zu verlassen. Manche seien depressiv, weil sie nicht wüssten, wann und was passiert.
Lisa telefoniert mit der Mutter – jede Stunde
Ihre Mutter verstehe nicht, warum sie nicht geschützt worden sind, sagt Lisa. Das macht sie sehr traurig. Sie telefoniert regelmäßig mit der Familie, jede Stunde. Lisa macht sich große Sorgen, ob die Verbindung hält – bei Bekannten sind die Verbindungen abgebrochen.
"Es tut mir so leid um das Land. Es ist viel Krach, sie leben im Albtraum."
Lisas Bekannte in Russland sagen ihr, sie seien zu lange zu naiv gewesen. "Sie sind zu mir gekommen und sagen, sie schämen sich", hat uns Lisa erzählt.
Zoe aus Moskau lehnt den Krieg ab
Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine gab es in vielen deutschen Städten Kundgebungen. In den sozialen Medien wurden aber auch Ausschnitte von Demonstrationen in Moskau und St. Petersburg verbreitet. Viele Demonstrantinnen und Demonstranten wurden verhaftet.
Auf eine Demo zu gehen, sei supermutig, weil es sehr gefährlich ist, hat uns Zoe erzählt. Sie ist 30 Jahre alt und lebt in Moskau. Sie war nicht auf einer Demo, aber sie unterstützt Leute per Social Media. Sie informiert sich vor allem über Telegram, das russische Fernsehen gehe gar nicht.
"Ich habe das nicht ausgewählt, das repräsentiert nicht meine Meinung. Ich habe diesen Mann nicht gewählt."
Zoe findet den Krieg schrecklich und sagt: Putin repräsentiert mich und meine Freunde und Bekannten nicht. Sie hat Verwandte in der Ukraine, die Cousine ihrer Mutter lebt in der Nähe von Donezk.
Was Zoe allerdings auch sagt: Ihre Familie ist gespalten. Sie hat Verwandtschaft in Kaliningrad, der Cousin ihres Vaters würde auch für Putin kämpfen.
Nataliia versucht sich abzulenken
Nataliia ist 27 und studiert gerade in Bayern. Ihr Bruder lebt in Kiew, die Eltern in der Zentralukraine. In der Nähe ihres Wohnhauses befindet sich ein militärischer Flughafen, gegen 5 Uhr am Morgen seien sie vom Lärm der Detonationen aufgewacht.
Heute Nacht hätten sicherheitshalber alle im Keller übernachtet, ihre Eltern wie auch ihr Bruder, hat Nataliia am Telefon erfahren. Genau wie Lisas Familie will auch Nataliias Familie zunächst zu Hause bleiben und das Land nicht verlassen.
"Meine Eltern sind in einer anderen Welt aufgewacht."
Nataliia studiert mit vielen Ukrainerinnen und Ukrainern aus der ganzen Ukraine zusammen. Was sie dort hört: Am schlimmsten sei es in der Ostukraine. Arbeiten sei für sie gerade die beste Ablenkung – ansonsten schaue sie stundenlang Nachrichten.
Ihr Bruder wird jetzt wahrscheinlich die Armee verstärken (müssen). Denn nach ukrainischen Behördenangaben dürfen männliche Staatsbürger im Alter von 18 bis 60 Jahren das Land nicht mehr verlassen.