UkraineWie Hilfe für Geflüchtete aussehen kann
Kateryna hat es mit ihrer Mutter, ihrem Bruder und viel Glück aus der Ukraine zurück nach Hause geschafft. Viele Menschen werden einen ähnlichen Weg gehen. Die Psychologin Irina Dannert arbeitet mit Geflüchteten und weiß, worauf es nach der Ankunft ankommt.
Eigentlich wollte Kateryna einfach wieder nach Deutschland zurückfliegen. Sie war aus familiären Gründen in die Ukraine gereist. Die ersten Informationen vom russischen Angriff haben sie zwar erreicht, aber sie konnte stundenlang nicht daran glauben, dass es Krieg geben wird. "Wir haben die Situation vollständig unterschätzt. Das Ausmaß konnten wir noch nicht abschätzen", sagt sie.
Es hat tagelang gedauert, bis Kateryna gemeinsam mit ihrer Mutter und ihrem Bruder wieder in Deutschland war. Trotzdem: "Ich fühle mich nicht vollständig in Sicherheit", sagt sie.
"Wir sind alle hier in Deutschland nicht in Sicherheit, das müssen wir auch verstehen."
Auf der Flucht sind die alltäglichsten Dinge plötzlich sehr kompliziert geworden. Die Kartenzahlung war eingeschränkt, an Bargeld kaum heranzukommen. Die Plätze in den Zügen waren schon alle weg. Ihre Mutter, ihr Bruder und Kateryna sind mit viel Glück mit einem Bekannten mitgefahren, den sie zufällig in der Schlange vor einem Geldautomaten getroffen haben.
Je näher sie der Grenze kamen, desto langsamer wurde die Fahrt. Erst ging es noch ziemlich schnell, 90 Kilometer in fünf Stunden. In Grenznähe kamen sie viel langsamer voran. Anwohnende haben die Flüchtenden in dieser langen Zeit mit warmem Essen versorgt, berichtet Kateryna. Heute hilft ihr Bruder Menschen, die aus der Ukraine fliehen. Er ist für eine Hilfsorganisation mit dem Bus unterwegs.
Kontrolle zurück gewinnen
Krieg ist potenziell traumatisch, sagt Irina Dannert. Sie arbeitet seit langem mit Geflüchteten, hilft ihnen auch bei der Verarbeitung. Anlass sind häufig Schwierigkeiten der Betroffenen im Alltag. Ziel ihrer Arbeit ist es, Menschen zu stabilisieren und ihnen zu helfen, die Kontrolle zurückzugewinnen.
"Wir wollen dem Gefühl entgegenwirken, dass die Menschen denken, sie sind verrückt geworden."
Es gelte, bei Betroffenen ein traumatisches Ereignis, eine unmittelbar traumatische Reaktion darauf und die Entwicklung langfristiger psychischer Folgen möglichst zu unterscheiden. "Nicht jeder Mensch, der einen Luftangriff erlebt, ist automatisch traumatisiert oder wird automatisch ein Leben lang an einer psychischen Störung leiden", sagt die Psychologin und Traumapädagogin.
Momente der Ruhe
Irina Dannert skizziert einige Empfehlungen für Laien beim Umgang mit Geflüchteten: Es gibt keine Lösung für ein Trauma. Es geht nicht um ein Aufarbeiten der potentiell traumatischen Erlebnisse. Ersteinmal geht es um Unterstützung und darum, ein Gefühl des Angenommenseins zurückzugeben. Ziel soll sein, die Kontrolle zurückzugewinnen. Es geht um Momente der Ruhe, gerade für die Ankunftszeit.
Als erste Anlaufstelle empfiehlt die Psychologin die Bundesweite Arbeitsgemeinschaft Psychosozialer Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer. Maßgeblich für die Verarbeitung von traumatischen Ereignissen ist, was danach kommt, sagt Irina Dannert.
"Für Menschen, die ein Trauma erlebt haben, sind das deutsche und das europäische Asylsystem potenziell retraumatisierend."
Ein erster Schritt sei Beispielsweise der unbürokratische Zugang zu einem Aufenthaltstitel. Sie begrüßt, dass zumindest über diese Strukturen gesprochen werde. Im Idealfall lasse sich psychotherapeutische Arbeit dauerhaft vermeiden.
Unser Bild zeigt zwei Kinder von Geflüchteten nach ihrer Ankunft in der polnischen Stadt Młyny am 03.03.2022.