Ukraine im WinterMalteser: "Alte, schwache, kranke Menschen bleiben zurück"

Weite Teile der Ukraine sind ohne Strom und Wasser. Wie schwerwiegend die Not ist, wie schwierig ihre Arbeit und wo sie Hoffnung sieht, berichtet Lisa Schönmeier von den Maltesern International.

Dieser Winter wird für Millionen Menschen in der Ukraine lebensbedrohlich sein, sagt der WHO-Regionaldirektor Hans Kluge. Millionen Menschen haben wegen der russischen Angriffe auf die Energieinfrastruktur keinen Strom. Viele haben nur kaltes oder gar kein fließendes Wasser.

Millionen Menschen ohne Strom

Die Hilfsorganisation Malteser ist in der Ukraine aktiv. Deutschlandfunk-Nova-Moderatorin Rahel Klein hat mit Lisa Schönmeier gesprochen, die das ukrainische Team der Malteser leitet.

Rahel Klein: Die Weltgesundheitsorganisation warnt davor, dass der Winter in der Ukraine für viele Menschen lebensbedrohlich werden könnte. Stimmst du zu?

Lisa Schönmeier: Eindeutig ja. Er wird es nicht nur werden, er ist es auch schon.

Was wird vor Ort gerade am dringendsten gebraucht?

Vor allem muss die zerstörte Infrastruktur instand gesetzt werden, damit die Menschen Zugang zu Wasser haben, sich etwas kochen können, eine warme Mahlzeit haben, um den Temperaturen widerstehen zu können. Im Moment sind es noch um die null Grad, das wird aber runter gehen auf bis zu minus 20.

Wie könnt ihr vor Ort Hilfe leisten?

Einerseits für Elektrizität sorgen mithilfe von Dieselgeneratoren. Die gibt es aber kaum noch, und die Preise sind schon um 30 Prozent gestiegen. Wir stellen auch große Generatoren, um ganze Feuerwehren unterstützen zu können, um die Wasserversorgung in ganzen Dörfern aufrecht erhalten zu können. Und dann sind es auch Menschen in einzelnen Häusern, die einfach wieder ein bisschen Wärme brauchen.

Das heißt, es fehlt gerade an den grundlegendsten Dingen wie Trinkwasser?

Ja. Manche Menschen fragen uns auch nach Seife, die sie seit Wochen nicht mehr haben.

Hilfsorganisationen bereiten sich auf Binnenflüchtlinge vor

Wird der Winter jetzt noch einmal zu mehr Fluchtbewegung führen?

Ja. Und wir bereiten uns darauf auch schon vor. Unsere Malteser-Partner in der Ukraine sind in Lwiw, das heißt im Westen der Ukraine. Da muss man Unterkünfte für Binnenvertriebene aufbauen, während wir im Osten ja direkt den Menschen helfen, die dort geblieben sind.

Russland hat den Beschuss in den letzten Wochen deutlich verstärkt, auch auf die Hauptstadt Kiew. Wie sehr beeinflusst das die Hilfe der Malteser?


Es trifft nicht nur Kiew, es trifft inzwischen landesweit zivile Infrastrukturen. Das beeinflusst uns direkt. Wenn kein Strom da ist, kann man auch keine E-Mails mehr schreiben. Wir können teilweise nicht mehr telefonieren. Man ist Stunden und Tage nicht fähig zu arbeiten. Und natürlich zehrt der ständige Luftalarm sehr an den Nerven der Partner vor Ort.

"Man muss im Keller Wasser, Nahrungsmittel und Decken haben, um dort eine Nacht verbringen zu können."
Lisa Schönmeier, Leiterin des Malteser-Teams in der Ukraine

Wie gefährlich ist die Situation im Moment?

Wir müssen einen ausgefeilten Sicherheitsplan haben, wissen, wo der nächste Bunker ist. Man muss entsprechend im Büro vorbereitet sein, im Keller Wasser auf Vorrat haben, Nahrungsmittel und Decken, um dort auch eine Nacht verbringen zu können.

Was gibt dir trotz dieser schwierigen, lebensbedrohlichen Situation für viele Menschen vor Ort vielleicht auch ein bisschen Hoffnung?

Man findet die Hoffnung ein bisschen, wenn man direkt mit den Menschen spricht. Wenn zum Beispiel die alte Frau, die in der Nähe von Charkiw aus ihrem Haus in ihren Stall ziehen musste, jetzt ein Ofen bekommen hat. Wir bekommen auch viele Nachrichten über Social Media. Trotz der Bedingungen merken wir den Wert unserer Arbeit.