ÜberwindungWenn wir uns im Job nicht alles gefallen lassen
Obwohl es nicht rechtens ist, musste Ben das Material für sein Gesellenstück selbst bezahlen. Dagegen wehrt er sich. Wie wir für unsere Rechte im Job einstehen und warum die Gen Z früheren Generationen womöglich etwas voraushat, erklärt Arbeitsforscher Hans Rusinek.
Eigentlich war Ben mit seiner Schreinerausbildung ziemlich zufrieden. Im Betrieb fühlte er sich wohl, mit seinem Chef kam er gut klar. Kurz vor Ende der Ausbildung gab es mit dem Chef dann aber einen Bruch, erzählt Ben, nicht nur zwischenmenschlich, sondern auch was die Rahmenbedingungen angeht.
Als angehender Schreiner gehört es zur Abschlussprüfung, ein sogenanntes Gesellstück anzufertigen. In Bens Fall sollte es ein Möbelstück sein – sein erstes eigens von ihm entworfenes und gebautes Möbelstück.
Um Rechte einzufordern, müssen wir sie kennen
Rechtlich ist die Regelung so, das bestätigt auch die Handelskammer Pfalz, dass für die anfallenden Materialkosten der Ausbildungsbetrieb aufkommt. In Bens Fall war das aber nicht so. Als Ben es ansprach, hörte er nur: Das musst du selbst bezahlen.
Ben, der seine Ausbildung erfolgreich abschließen wollte, hat das gemacht. Rückwirkend will er den Chef aber nicht davonkommen lassen. Mithilfe eines Anwalts versucht er das Geld zurückzubekommen. Seit einem dreiviertel Jahr geht das so, erzählt Ben. Wenn keine Zahlung erfolgt, ist Ben bereit, vor Gericht zu gehen.
"Wir haben viele Arbeitsbereiche, wo Menschen nicht von ihren Rechten wissen und deswegen auch nicht von ihnen Gebrauch machen können."
Ben hat etwas, was viele nicht haben: Das Geld für einen Anwalt, aber auch den Mut und die Ausdauer, dranzubleiben. Und er kennt seine Rechte, ergänzt Arbeitsforscher Hans Rusinek von der Universität Sankt Gallen.
Das Bedürfnis oder den Wunsch, im Job fair bezahlt und behandelt zu werden, haben wir alle, sagt Hans Rusinek. Er widerspricht dem Vorurteil, dass die Gen Z oder die Millennials höhere Ansprüche an Arbeitgeber*innen haben als frühere Generationen.
"Wir verwechseln ständig Alters- mit Generationseffekten."
Hans Rusinek gibt dafür folgendes Beispiel: Für jemanden, der am Anfang seines Joblebens steht, ist klar, dass er oder sie noch keinen Dienstwagen braucht. Auch Hierarchien spielen für junge Menschen generell keine große Rolle. Sie haben meistens auch noch kein Eigenheim, das sie abbezahlen müssen, sind daher nicht so sehr auf einen gut bezahlten und sicheren Job angewiesen. In folgenden Lebensphase, wenn Karrieremöglichkeiten, Gehalt oder das Versorgen einer Familie dazukommen, ändere sich das.
Es braucht Mut, um auf Rechte zu bestehen
Einen Unterschied zwischen den Generationen gibt es laut dem Arbeitsforscher aber doch: Der Fachkräftemangel war früher nicht so eklatant wie heute. Die "Boomer" hatten also nicht die Auswahl, die die jetzigen jungen Arbeitnehmer*innen haben. Und sie haben sich nicht unbedingt getraut, für ihre Rechte einzustehen, fügt der Arbeitsforscher hinzu.
Die eigenen Rechte geltend zu machen, auch wenn die Ausbildungszeit schon vorbei ist, das macht allerdings auch nicht jede*r junge Arbeitnehmer*in. Das ist Ben bewusst. Doch genau das nutzen Unternehmen aus, um sich nicht rechtens zu verhalten, meint Ben. Deswegen geht es ihm nicht nur um die 390 Euro, die ihm sein Ausbildungsbetrieb schuldet, sagt er. Es geht ihm ums Grundsätzliche. Vielleicht trägt seine Beharrlichkeit dazu bei, dass auch andere Auszubildende Mut fassen, für sich einzustehen, oder noch besser, dass Betriebe ihre Mitarbeiter*innen fair behandeln.