KunstbetriebNach der Akademie wird es richtig hart
Für viele bildenden Künstlerinnen und Künstler wird es nach dem Studium zum ständigen Dilemma: Haben sie einen Job, von dem sie gut leben können, fehlt ihnen die Zeit für die Kunst. Haben sie keinen Job, fehlt ihnen das Geld für die Ateliermiete, das Material und natürlich auch für den Lebensunterhalt. Von ihrer Arbeit leben können maximal 10 Prozent.
Von ihrer Arbeit leben können maximal 10 Prozent aller bildenden Künstlerinnen und Künstler in Deutschland. Das ist das ernüchternde Ergebnis einer Umfrage, die Hergen Wöbken vom Institut für Strategieentwicklung im Jahr 2018 unter Berliner Künstlern durchgeführt hat. Die Zahlen decken sich mit Studien zur ökonomischen Lage von Künstlern in ganz Deutschland.
"Maximal 10 Prozent können von ihrer Arbeit leben. Für den Rest ist es oft ein Zuschussgeschäft."
Ohne Einkommen und auf sich alleine gestellt
Besonders prekär sei die Situation für den Nachwuchs, so Hergen Wöbken Institut für Strategieentwicklung. Denn mit dem Ende des Studiums fielen die Strukturen der Akademie weg und die Absolventen seien ab dann auf sich alleine gestellt. Ein Einkommen fehle, gleichzeitig aber müssten die Künstlerinnen und Künstler die ersten fünf Jahre nutzen, um ihre Karriere aufzubauen. So fasst Hergen Wöbken die verschiedenen Herausforderungen zusammen.
Zur Unterstützung von jungen Künstlern gibt es Atelierförderungen, Residenzprogramme und Stipendien. Doch diese Möglichkeiten sind rar und ohne einen Nebenjob kommt kaum jemand über die Runden.
Die Bildhauerin Elisabeth Windisch hat es aktuell geschafft. Allerdings hat auch sie eine Menge schlechter Jobs machen müssen, bis es so weit war.
"Also ich habe die Leiter der Drecksjobs richtig gut abgeklappert..."
Jetzt arbeitet sie an der Universität für angewandte Kunst in Wien. Ein Vertrag mit einem Umfang von 20 Stunden lässt ihr Zeit für die Bildhauerei und bringt gleichzeitig genug Geld für die Miete. Außerdem betreibt sie mit fünf anderen Kunstschaffenden einen Kunstraum in der Kölner Innenstadt. Hier stellt sie ihre eigenen Arbeiten aus. Das ist extrem wichtig für die Absolventen, denn einen Galeristen haben die wenigsten. Aus diesem Grunde ist es wichtig, einen alternativen Weg für die Ausstellung und den Verkauf der eigenen Arbeiten zu finden.
Als Elisabeth "auf ihrer Leiter der Drecksjobs" einen Nebenjob als Leiharbeiterin hatte, habe sie immer wieder darüber nachgedacht, die Bildhauerei an den Nagel zu hängen. Denn einerseits stecke so viel Herzblut und Wissen im Job als bildende Künstlerin und andererseits scheitere das Vorhaben, genau davon leben zu wollen immer wieder, sagt die Bildhauerin.
"Wenn man so viel Energie, Kraft, Wissen in diese eigene Position reinsteckt und da immer wieder einfach das Gefühl hat, finanziell zu scheitern, dann muss man sich die Frage stellen, ob man sich nicht einen alternativen Weg überlegen will."
Die künstlerische Freiheit leidet unter den Produktionsbedingungen
Und auch Hergen Wöbken vom Institut für Strategieentwicklung ist davon überzeugt, dass die künstlerische Freiheit häufig unter den Produktionsbedingungen leide. Akademieabsolventen rät er, sich auf wenige Projekte zu konzentrieren und maximal vier Ausstellungen im Jahr zu machen. Diese Ausstellungen - so Hergen Wöbken weiter - sollten so ausgerichtet sein, dass sie der Karriere helfen. Wichtig sei auch etwas Bleibendes wie eine Dokumentation oder ein Katalog.
"Das müssen nur zwei, drei, maximal vier Ausstellungen im Jahr sein. Sie sollten aber darauf achten, dass es etwas ist, was sie in ihrer Karriere weiterbringt."
Die Bildhauerin Elisabeth Windisch würde gerne dauerhaft ohne finanzielle Unsicherheit leben. Aber – so viel steht heute für sie fest – niemals ohne Kunst.