ÜberfordertWie wir den Start ins Berufsleben schaffen
Studium ist kein Ponyhof, aber es bietet einem Selbstbestimmtheit. Die Umstellung auf einen Job mit festen Arbeitszeiten kann da hart sein, fand zumindest Prisca. Arbeitspsychologe Florian Schweden sagt, wie man mit dieser Veränderung umgehen kann.
Der Berufseinstieg bringt meistens neue Aufgaben, neue Kolleg*innen, neue Regeln und vor allem weniger Freiheit als zuvor. Denn für so eine reguläre 40-Stunden-Woche geht viel Zeit drauf.
Prisca (unser Artikelfoto zeigt ein Model) arbeitet seit anderthalb Jahren bei einem Unternehmen im Marketing. Es ist ihr erster Vollzeitjob nach dem Studium und bedeutete für sie eine große Umstellung.
Nicht nur der Job ist neu, sondern der gesamte Alltag
Was Prisca besonders zu schaffen macht, ist die fehlende Zeit für den Ausgleich zum Job. Nach acht Stunden Arbeit plus Hin- und Rückfahrt ist sie rund zehn Stunden aus dem Haus, rechnet sie. Danach habe sie keine Energie mehr, um Freund*innen zu treffen oder ins Fitnessstudio zu gehen.
"In der ersten Zeit nach Jobbeginn habe ich wochenlang gar nichts unternommen. Ich war auch am Wochenende platt und war froh, einfach mal nichts zu machen."
Bei Prisca kommt aber noch hinzu, dass sie unter Angstzuständen und Depressionen leidet. "In solchen Phasen bin ich einfach nicht so produktiv", erzählt sie. "Und es ist wirklich schwierig, etwas zu leisten, wenn der Kopf die ganze Zeit gegen einen arbeitet."
So tun, als würde man alles schaffen, ist wenig ratsam
Aber auch ihre Freund*innen würden das kennen, von der Vierzigstundenwoche geschlaucht zu sein. Gemeinsam sprechen sie viel über die Themen Arbeit und Umgang mit Belastungen.
Über die eigene Belastung zu sprechen und Freund*innen und Bekannte nach ihren Erfahrungen zu fragen, findet Arbeitspsychologe Florian Schweden eine gute Idee.
"Es kann hilfreich sein, Vertrauenspersonen zu fragen, ob man sich aufgrund der neuen Arbeit verändert hat. Das kann so ein Maker sein, bei dem man achtsam werden sollte."
Allen, die neu in ein Unternehmen kommen, rät der Arbeitspsychologe Fragen zu stellen, um so viele Informationen wie möglich zu sammeln und schrittweise einen Überblick über Arbeitsabläufe, Strukturen und Aufgaben zu bekommen. Das gebe Orientierung und Sicherheit.
Selbstverantwortung vs. Selbstüberforderung
Gleichzeitig, betont Florian Schweden, sei es wichtig, auch im Unternehmen klar zu kommunizieren, dass man zwar sein Bestes gebe, aber dennoch Berufsanfänger*in oder neu im Unternehmen sei.
"Berufseinsteiger sollten eben nicht sagen: Ich kriege das alles sofort hin. Denn das führt zur Selbstüberforderung und Mehrarbeit und schließlich zur Erschöpfung, die man im Zweifel in Folgeaufträge mitnimmt."
Prisca hat sich inzwischen ans Herz gefasst und hat offen mit ihren Vorgesetzten über ihre psychische Erkrankung gesprochen und ihre Arbeitszeit auf 35 Wochenstunden reduziert.
Doch auch unabhängig von ihrer Krankheit kann sie sich nicht vorstellen, bis zur Rente einen Bürojob zu machen, in dem sie tagtäglich nur im Büro vor dem Computer sitzt. Sie ist überzeugt: Die Arbeitswelt muss sich verändern. Denn junge Menschen machen das auf Dauer nicht mit. Und das sei auch gut so.