Appell an die NationWarum die TV-Ansprache "Merkels beste Rede" war
In ihrer Fernsehansprache hat uns Angela Merkel klargemacht: Die Lage ist ernst. Es war ihre beste Rede, findet Politikwissenschaftler und Kommunikationstrainer Moritz Kirchner. Die Kanzlerin habe die Balance zwischen logischer Argumentation, Verständnis und Mitgefühl gezeigt.
Die Lage rundum das neuartige Coronavirus verändert sich jeden Tag. Was heute aktuell ist, kann morgen wieder überholt sein. In einer Zeit wie dieser die passenden Worte zu finden, scheint schwer.
Für den französischen Staatspräsident Emmanuel Macron zum Beispiel befinden wir uns gerade in einem Krieg um die Gesundheit. Dramatische Worte, die so ähnlich auch NRW-Ministerpräsident Armin Laschet verwendete. Bundeskanzlerin Angela Merkel hingegen appellierte in ihrer Fernsehansprache am Mittwochabend (18.03.20) an unsere Vernunft – ohne Dramatik, dafür persönlich und bestimmend.
Merkels Rede erinnert an Churchill
Es war die bisher beste Rede der Bundeskanzlerin, findet Politikwissenschaftler Moritz Kirchner. "Ich denke sogar, dass die Rede irgendwann zumindest in einer Linie stehen könnte mit der berühmten Blut-Schweiß-und-Tränen-Rede von Winston Churchill am 13. Mai 1940", fügt er hinzu. Besonders rhetorisch habe Angela Merkel mit ihren Worten überzeugt. Denn sie habe Logik, Pathos und ihre persönliche Geschichte mit eingebracht.
"Das war die beste Rede, die sie je als Bundeskanzlerin gehalten hat."
Moritz Kirchner erklärt diese drei rhetorischen Mittel am Beispiel der Rede von Angela Merkel so:
- Logik: Stimmige Argumentation mithilfe von Verweisen auf die derzeit bekannten wissenschaftlichen Fakten. Gefolgt von einer deutlichen Erklärung des Ziels der Politik und Forschung, die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen.
- Pathos: Mit ihrer Sprechhaltung habe sie Gefühl vermittelt, indem sie sich bei den Menschen bedankt hat, die im Gesundheitssystem und Einzelhandel arbeiten.
- Persönlichkeit: Die Bundeskanzlerin habe ihre eigene Lebenserfahrung einfließen lassen, indem sie eine Brücke geschlagen hat von den aktuellen Einschränkungen zu den Restriktionen in der DDR, um die Notwendigkeit für die Beschlüsse der Regierung zu verdeutlichen.
"Merkel hat das gemacht, was man ihr nicht zugetraut hätte: Mit Gefühl zu argumentieren und Pathos in die Rede zu packen", schlussfolgert der Politikwissenschaftler. Zusätzlich habe sie klargemacht, dass es auf die Zusammenarbeit aller ankomme. Demnach erlasse die Bundesregierung Beschlüsse und die Menschen in Deutschland sollten diese umsetzen, um die Infektionen mit dem Virus zu verlangsamen.
Verständnis zeigen und Handeln erklären
Mehr Hoffnung auf bessere Aussichten seitens der Politik ist gerade objektiv betrachtet nicht drin, sagt Moritz Kirchner. Dafür sei die Lage zu wechselhaft. Vielmehr rät der Politikwissenschaftler und Kommunikationstrainer davon ab, mögliche Szenarien und Beschlüsse in der öffentlichen Kommunikation an einem Tag auszuschließen und diese kurze Zeit später zu widerrufen – Stichwort Schulschließungen. Das schade der Glaubwürdigkeit.
"Ich glaube, dass die Situation objektiv dramatisch ist und es deshalb so schwer ist, hier Hoffnung zu vermitteln. Aber wenn sie diese Zweiseitigkeit zeigt, hat sie damit so viel Hoffnung gemacht, wie man objektiv in der Situation nur geben kann."
Hilfreicher sei hingegen Verständnis. In Krisenzeiten ist es entscheidend, so der Kommunikationstrainer, auf die Menschen einzugehen und sie dadurch abzuholen. Für mehr Akzeptanz sollten Rednerinnen und Redner zudem ihr Handeln verständlich erklären. Das habe die Kanzlerin geleistet.