Putschversuch in der Türkei"Erdogan wird davon profitieren"
Der Putsch in der Türkei ist vereitelt worden. Die Regierung scheint die Lage wieder unter Kontrolle zu haben. Doch viele Fragen bleiben offen. Eine Einschätzung von der ARD-Türkeiexpertin Ayca Tolun.
Es gibt viele Ungereimtheiten bei dem Putschversuch in der Türkei. Die DRadio-Wissen-Nachrichtenredaktion berichtet über aktuelle Entwicklungen zum Putschversuch in der Türkei. Der Putsch scheint vereitelt worden zu sein, die Regierung hat die Lage wieder unter Kontrolle. Kurios ist der Putschversuch aber, weil letztlich Erdogan selbst davon profitieren wird, sagt die ARD-Türkeiexpertin Ayca Tolun.
"Die einzigen, die davon profitieren, sind die Regierung und Erdogan. Er wird jetzt als Held der Demokratie gefeiert. Möglicherweise kann er sogar vorgezogene Neuwahlen wagen."
Live haben wir im Fernsehen den Putsch verfolgen. Die Medienhäuser wurden nicht besetzt. Soldaten, die sich ergeben und Erdogan, der noch am Abend im Fernsehen erklärt, dass er hart gegen die Putschisten vorgehen werde - all das wurde gezeigt.
Ein Novum, sagt Ayca Tolun. Und auch eine merkwürdige Sache, die gleich Verschwörungstheorien nach sich zieht: Warum wurde das alles gezeigt? Wer profitiert davon? War der Putsch inszeniert?
Von einer Inszenierung würde sie nicht sprechen, sagt Tolun. Aber gewundert hat sie sich auch - dass die sozialen Netzwerke funktioniert haben, man telefonieren konnte und die Experten sofort in den Fernsehstudios zur Stelle waren.
"Die sozialen Netzwerke haben funktioniert. Bei viel kleineren Krisen in der Türkei hat man sofort ein langsames Internet, viele Seiten sind gesperrt - nichts davon war der Fall."
Erstmals in der türkischen Geschichte der Militärputsche hat sich allerdings, so Tolun, die Bevölkerung gegen die Putschisten gestellt. Nicht nur Erdogans Anhänger seien auf die Straße gegangen - auch andere Leute. Denn niemand will einen Putsch - glaubt Tolun. Denn: "Jedesmal [nach einem Putsch] wird das Land für Jahrzehnte zurückgeworfen. Und man kann Probleme nicht mit anderen Problemen lösen."
Gegen die putschenden Militärs hatte Erdogan noch in der Nacht ein hartes Vorgehen angekündigt. Sie werden in der Türkei keine Zukunft haben, meint auch Ayca Tolun. Der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim sagte am Samstag in einer Pressekonferenz, die Regierung überlege, die Todesstrafe wieder einzuführen. Inzwischen wurden laut Yildirim fast 3.000 Armee-Mitglieder festgenommen.