Trinkgeld in der GastroWas uns Service wert ist
Moritz kellnert schon seit Jahren und erzählt, wie es ist, aufs Trinkgeld angewiesen zu sein. Wirtschaftspsychologin Julia Pitters erklärt, welche Faktoren beeinflussen, wie viel Trinkgeld wir geben.
"Danke, stimmt so." Wer in der Gastro arbeitet, so wie Moritz, hört diesen Satz gern. Für ihn ist Trinkgeld ein Dankeschön für seinen Service – und gleichzeitig wirtschaftlich notwendig. Er kellnert seit 16 Jahren, inzwischen in Vollzeit. Von dem Mindestlohn, den Servicekräfte kriegen, könne man nicht leben, sagt er.
Trinkgeld: eine Frage der Wertschätzung und sozialen Norm
Aus Sicht des Gastes ist Trinkgeld – vor allem wenn wir nur einmalig in einem Lokal sind – ökonomisch gesehen im Grunde ein Nachteil, erklärt Wirtschaftspsychologin Julia Pitters. Denn durch das Trinkgeld geben wir quasi freiwillig mehr Geld aus, als wir müssten.
Aus psychologischer Sicht ergebe Trinkgeldgeben aber wiederum Sinn.
"Wir Menschen haben einen ureigenen Reflex: Wenn wir etwas bekommen und dafür nichts zurückgeben, entsteht ein Ungleichgewicht, mit dem wir uns nicht wohlfühlen. Das kompensieren wir, indem wir zurückgeben."
Ob und wie viel Trinkgeld wir geben, ist in jedem Land unterschiedlich, sagt Julia Pitters. Moritz selbst gibt, wenn er ausgeht, in der Regel mehr Trinkgeld als die in Deutschland üblichen und als höflich geltenden zehn Prozent. Für guten Service mache ich das gerne, sagt er. Natürlich weiß er auch, wie viel für Servicekräfte davon abhängt.
"Das Trinkgeld macht die Hälfte meiner Einnahmen aus. Ohne Trinkgeld hätte ich nur halb so wenig Geld und könnte den Kellnerjob im Prinzip nicht machen."
Ein Faktor, der die Höhe und Häufigkeit des Trinkgeldes beeinflusst, ist das Zahlen mit Karte, erklärt Wirtschaftspsychologin Julia Pitters. Wenn die Bezahlform mit Karte möglich ist, wird weniger häufig Trinkgeld gegeben. Das liegt daran, dass dabei der persönliche Aspekt verloren geht, sagt Julia Pitters.
Persönliche Beziehung zum Gast ist ausschlaggebend
In der Regel gilt: Je anonymer der Bezahlvorgang, desto weniger haben wir im Blick, an wen sich das Dankeschön, für das das Trinkgeld ja steht, gedacht ist. Zudem sei in einem anonymen Kontext der soziale Druck, Trinkgeld zu geben, geringer.
"Eine Studie ergab, dass, wenn Smileys oder ein persönlicher Gruß auf der Rechnung geschrieben steht, die Leute mehr Trinkgeld geben. Alles, was persönlich ist, erzeugt bei uns Menschen mehr Verbindlichkeit."
So gesehen ist die Tendenz, beim Bezahlen auf dem Touchpad anklicken zu müssen, ob man kein Trinkgeld, fünf, zehn oder 20 Prozent geben will, ein interessanter Marketingtrick, sagt Julia Pitters. Die Auswahlmöglichkeit bewirkt, dass wir uns automatisch die Frage stellen, was denn die soziale Norm ist – also: was wohl andere geben. Und weil die meisten von uns nicht unangenehm auffallen wollen, geben wir mit großer Wahrscheinlichkeit mehr, als wenn wir keine Auswahlmöglichkeit hätten.
Neben all den wirtschaftlichen und sozialen Komponenten ist Trinkgeld immer auch als ein Ausdruck der Wertschätzung zu sehen, erinnert Julia Pitters. Und die sei am Ende das, was uns Menschen antreibt, einen guten Job zu machen und Spaß daran zu haben. So sieht es auch Moritz. Für die Gastronomie muss man schon ein bisschen geboren sein, sagt er. Man sollte Lust haben, mit den Leuten zu quatschen und dafür zu sorgen, dass sie eine gute Zeit haben. Denn genau darum gehe es beim Besuch eines Cafés oder Restaurants doch.