Kennzeichnung belastender InhalteTriggerwarnungen: Nicht inflationär einsetzen
Vor Serien, Instagramstorys, Fernseh- oder Radiobeiträgen: Triggerwarnungen begegnen uns derzeit immer häufiger. Doch wann machen sie wirklich Sinn und wann führen sie eher dazu, dass wirklich traumatische Erlebnisse bagatellisiert werden?
Das Wort Trigger kommt aus dem Englischen und heißt übersetzt so viel wie Auslöser. In der Psychologie beschreibt man mit Trigger einen Reiz, der dazu führen kann, dass jemand ein Trauma wieder durchlebt. Ein Kleidungsstück, ein Geräusch, ein Geruch oder eine Szene aus einem Film können traumatisierte Menschen triggern. Häufig haben die Betroffenen die Erlebnisse davor noch nicht verarbeitet oder verdrängt.
Deshalb wurde eingeführt, dass vor bestimmten medialen Beiträgen eine Triggerwarnung erscheint, um Menschen vor genau diesen Situationen zu warnen. Mittlerweile werden die Warnungen allerdings viel zu beliebig eingesetzt, kritisiert der Psychologe Thomas Weber, der das Zentrum für Trauma und Konfliktmanagement in Köln leitet.
Der Beginn der Triggerwarnung
Angefangen haben Triggerwarnungen mit der Netflix-Serie "Tote Mädchen lügen nicht". In dieser wird die Schülerin Hannah Baker gemobbt und vergewaltigt und nimmt sich schließlich das Leben. Die Reaktionen auf die Serie waren vielfältig – von begeistert bis empört. Vor vier Jahren ist die Serie noch ohne Warnhinweis gestartet.
Mittlerweile gibt es aber vor jeder Episode ein Video, in dem die Schauspielerinnen und Schauspieler der Serie vor dem folgenden Inhalt warnen: "Wir blicken auf sexuelle Übergriffe, Drogenmissbrauch, Selbstmord und mehr. Solltest du selbst mit den angesprochenen Themen zu tun haben, ist das hier vielleicht nicht das Richtige für dich", heißt es darin. Danach empfehlen die Stars den Zuschauenden noch, die Serie nicht alleine zu schauen und zeigen, wo man sich Hilfe suchen könnte.
Wenn sehr harte psychische und physische Gewalt dargestellt wird, wie im Fall der Serie, ist eine Triggerwarnung sinnvoll, sagt Thomas Weber.
"Wenn es um die Darstellung von sehr harter physischer und psychischer Gewalt geht, kann es durchaus Sinn machen, im Vorfeld eine allgemeine Warnung zu geben."
Nicht jedes Erlebnis ist gleich ein Trauma
Gleichzeitig beobachte er zunehmend Fälle, in denen Triggerwarnungen seiner Meinung nach keinen Sinn machen. Das seien vor allem alltägliche Situationen. Die Folge: Die wirklich traumatisierenden Momente werden dadurch eher bagatellisiert.
Doch wo genau liegt die Grenze? Warnungen gibt es derzeit vor vielen Themen: vor Radioberichten über Polizeigewalt, vor Zeitungsartikeln über Rassismus oder vor Streamingserien mit Bulimieszenen. Schnell fallen dann Begriffe wie Trauma oder Trigger.
Laut Thomas Weber würde nicht nur der Begriff Trigger, sondern auch der Begriff Trauma verharmlost und verallgemeinert werden. Es fange schon dabei an, dass ein verlorenes Fußballspiel als Trauma bezeichnet werde.
"Der Begriff Trauma wird momentan sehr willkürlich und auch sehr banal eingesetzt und hat mit dem eigentlichen Thema nichts mehr zu tun."
Wir alle würden im Laufe unseres Lebens traumatische Erfahrungen machen. Die meisten davon könnten wir allerdings mit der Zeit gut wegstecken und kontrollieren – auch, indem wir uns sukzessive dem Erlebten nähern, sagt Thomas Weber weiter. Zu einer echten Traumafolgestörung komme es nur in ganz schweren Fällen.
Entmündigung der Traumatisierten
Damit Menschen die Kontrolle über ihre Traumata behalten können und davon nicht überflutet werden, gibt es eben auch die Triggerwarnungen.
Doch oft bewirken sie genau das Gegenteil – gerade bei Serien und Filmen, aber auch bei Nachrichtensendungen. Das entmündige die Traumatisierten auch ein Stück weit, die sich sowieso aktiv davor schützen, indem sie sich vorher über die Inhalte von Filmen oder Serien informieren. Stattdessen schlägt Thomas Weber vor, einen einfachen Hinweis zu setzen: "Der folgende Inhalt kann sehr nahe gehen."
Damit seien alle gewarnt, jedoch nicht bevormundet. Doch selbst diese Art von Hinweisen sollten sparsam eingesetzt werden, sonst führe das irgendwann dazu, dass Triggerwarnungen wie Warnhinweise auf Zigarettenschachteln gelesen werden: An die haben sich die meisten schon so gewöhnt, dass sie gar nicht mehr auffallen.