Trans-Verbände zu Gesetzentwurf"Wenn das Transsexuellengesetz kommt, ist es ein Rückfall um Jahrzehnte"
Weniger als drei Tage hatten Trans-Verbände Zeit, ihre Stellungnahme zum neuen Transsexuellengesetz abzugeben. Ihre Kritik am aktuellen Entwurf ist groß: Statt eines erhofften großen Wurfs, sei das Gesetz ein Rückschritt.
Nach fast 40 Jahren soll das Transsexuellengesetz (TSG) geändert werden. Es regelt beispielsweise die Namensänderung im Pass oder die Eintragung des Geschlechtes bei transsexuellen oder transidenten Menschen – hier gab es lange Zeit nur die Möglichkeit, sich für die Option Mann oder Frau zu entscheiden. Das Bundesverfassungsgericht hatte bereits mehrere Passagen des Gesetzes von 1981 für verfassungswidrig erklärt. Doch auch an dem neuen Entwurf vom Justiz- und Innenministerium gibt es Kritik.
Gericht entscheidet über das Geschlecht
Bisher war eine Änderung des Geschlechtseintrages sehr aufwendig, für die Beantragenden oft belastend und teuer. Zwei psychologische Gutachten waren notwendig und über den Antrag entschied schließlich ein Gericht. Diese doppelte Begutachtung soll nun durch eine "Beratung" ersetzt werden.
Doch bei einer gerichtlichen Entscheidung soll es bleiben. Petra Weitzel von der Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität (dgti) kritisiert besonders, dass etwa die Beratung von denselben Ärzten und Psychologen durchgeführt werden sollen, die bisher die Gutachten erstellt haben: "Wir wollen Peer-Beratung haben. Also trans Personen beraten trans Personen. Und Eltern von transidenten Kindern beraten Eltern und so weiter."
Kritik gibt es außerdem an weiteren Punkten des geplanten Verfahrens: Beispielsweise sollen nun auch Ehepartnerinnen und Ehepartner vor Gericht gehört werden. Manche trans Menschen fürchten, dass die Ehepartnerinnen und Ehepartner sich vor Gericht querstellen könnten, dass Zwist und Eheprobleme sich auf die Entscheidung des Gerichtes auswirken könnten. Dieser Punkt war nicht in den vorherigen Entwürfen enthalten.
Unnötige Einschränkungen
Problematisch, so die Verbände, sei ebenfalls, dass nach dem Gesetzentwurf ein Antrag nur alle drei Jahre möglich wäre. Für Petra Weitzel eine unnötige Einschränkung. Es gebe keine Hinweise dafür, dass Menschen häufiger eine Änderung vornehmen lassen würden.
"In Rheinland-Pfalz hatte man von 2004 bis 2014, in diesen zehn Jahren, 0,43 Prozent Personen, die ein zweites Mal diese rechtliche Änderung durchführen lassen wollten. Damit ist klar: Das macht niemand leichtfertig."
Ein weiterer Streitpunkt betrifft die gesetzliche Behandlung von Intersexuellen und trans Personen. Erst seit Januar 2019 ist gesetzlich geregelt, dass intersexuelle Menschen, die Geschlechtsoption "divers" für sich in Anspruch nehmen können. Grundsätzlich ist dies aber für alle Menschen möglich: Sie müssen dafür aber ein Attest vorlegen, das eine "Variante der Geschlechtsentwicklung" nachweist. Durch dieses neue Gesetz konnten auch trans Personen einfacher eine Änderung des Geschlechtseintrages vornehmen lassen – beispielsweise durch ein Attest eines ihnen vertrauten Hausarztes.
Dringende Änderung
Dieser Zugriff auf eine Gesetzeslücke könnte mit ein Grund sein, warum die Änderung des Transsexuellengesetzes von Seiten der Ministerien rasch vorangetrieben wird. Lediglich etwa 48 Stunden hatten Verbände Zeit bekommen, um sich zum Entwurf zu äußern. Am vergangenen Mittwoch (8. Mai) wurde der Entwurf veröffentlicht, am Freitag mussten die Stellungsnahmen vorliegen. Petra Weitzel (dgti) vermutet, dass eine anstehende Veröffentlichung der Weltgesundheitsorganisation für den Vorstoß der Ministerien relevant ist: So erscheint bald das WHO-Handbuch für Krankheiten, in dem Transsexualität nicht mehr als Krankheit geführt werde.
Für Rebecca Jäger von der Bundesvereinigung Trans* ist der bisherige Entwurf eine große Enttäuschung, der an gesellschaftlichen Entwicklungen vorbei abgehandelt werde.
"Wenn das Gesetz vor 15 Jahren gekommen wäre, wäre es vielleicht ein Fortschritt gewesen. Wenn es jetzt kommt, dann ist das ein Rückfall um Jahrzehnte, um nicht zu sagen, ins vorige Jahrtausend!“
Ob es weitere Änderungen des aktuellen Entwurfes geben wird, ist indessen nicht klar. Dazu wollte sich das Innenministerium auf unsere Anfrage bisher nicht äußern.