Öffentlich weinenDie Renaissance der Tränen
Pokal, Konfetti und eine Menge Tränen: So sieht es aus, wenn der FC Bayern das Pokalfinale gewinnt. Tränenüberströmt stand da Trainer Pep Guardiola. Er ließ seinen Emotionen freien Lauf, darüber haben sich sogar Nicht-Fußballfans gefreut. Ist das die Renaissance der Tränen?
Bis vor einigen Jahren war das noch undenkbar: Fußballer, die auf dem Rasen weinen. Früher gab es die Tränen nur in der Kabine. Heute ist das anders: Auf dem Platz wird geweint was das Zeug hält. "Vor zehn Jahren weinte man nicht auf dem Feld, heute hat sich das total geändert - auch mit der WM in Brasilien. Man erwartet es geradezu, man möchte auch dieses Emotionale miterleben", sagt Renate Möhrmann, die ein Buch über die Kulturgeschichte der Träne geschrieben hat.
"Man möchte das Emotionale miterleben, nicht nur die Geschichte des Balls, sondern auch die Geschichte der rollenden Träne."
Tränen? Gehören dazu!
In der Öffentlichkeit hat das Weinen einen neuen Stellenwert bekommen. Es ist ein Muss geworden, sagt Renate Möhrmann. Kaum eine TV-Sendung kommt ohne vergossene Tränen aus. "Es darf und soll geweint werden. Nur der, der auch richtig weinen kann, ist ein richtiger Mann." Früher sei das anders gewesen, da galt der weinende Mann als schwach. Anders war das nur in Japan. Da durften die Samurai weinen, weil die Tränen ihre Anstrengung im Kampf symbolisierten.
"Weinen ist die neue Menschlichkeit."
Für Außenstehende, Nicht-Weinenden sind die Tränen einer anderen Person die Möglichkeit, Anteil zu nehmen und mitzufühlen. Wer Tränen verdrängt oder verdammt, kasteit sich selbst, sagt Renate Möhrmann. Das soll aber nicht heißen, dass wir jeden Menschen, der auf der Straße weint, trösten müssen. Die Tränen können wir aber zur Kenntnis nehmen und froh sein, dass auch diese Emotion wieder zu unserem Lebensgefühl gehört.