Todesurteile in MyanmarSchauspieler Mikis Weber: "Unsere Freunde sind fast ausnahmslos im Gefängnis oder im Gefecht"
In Myanmar sollen erstmals seit 30 Jahren vier Menschen durch die Militärregierung hingerichtet worden sein. Mikis Weber hat fünf Jahre im Land gelebt und verfolgt die Lage seit seiner Flucht von Bremen aus. Er sagt: Das Militär wollte ein Exempel statuieren und die Moral des widerständigen Volkes brechen – doch so leicht werde das nicht gelingen.
Im Februar 2021 hat das Militär die Herrschaft in Myanmar unrechtmäßig übernommen. Seitdem gehören willkürliche Angriffe, Kämpfe zwischen Militär und Rebell*innen und Inhaftierungen von Aktivist*innen zur Tagesordnung. 100.000 Menschen sind laut UN seit der Machtübernahme im Osten des Landes geflohen. 1.700 Menschen sollen ums Leben gekommen sein – die Hälfte von ihnen Zivilist*innen.
Phyo Zeya Thaw galt als Koryphäe der Demokratie
Nun hat das Militär eine neue Schwelle an Repressalien überschritten. Erstmals seit 30 Jahren sollen laut staatlichen Angaben vier Menschen hingerichtet worden sein. Zwei von ihnen waren bekannte Aktivisten für die Demokratie: Der Rapper Phyo Zeya Thaw, der in seinen Texten die Zustände des Landes kritisierte und Mitglied der demokratischen Partei NDL war, und Kyaw Min Yu, der bereits an der Protestbewegung 1988 beteiligt war.
Mikis Weber ist mit Phyo Zeya Thaw zusammen aufgetreten und bezeichnet ihn als "Koryphäe der Demokratie". Seine Hinrichtung trifft ihn und doch kommt sie nicht allzu überraschend. Er sagt: So wie der Putsch selbst, sei dies immer eine Option gewesen, die sie nicht hätten ausschließen können.
"Das Militär verhält sich wie ein in die Ecke gedrängter Tiger - je weniger Platz es hat, desto bissiger wird es."
Mikis Weber ist in Myanmar ein bekannter Musiker und Schauspieler. Doch seine burmesische Verlobte und er mussten das Land verlassen – die Situation unter der Militär-Herrschaft wurde zu gefährlich. Das Militär begründet die Vollstreckung der Todesurteile damit, die beiden Aktivisten seinen gewaltsam gegen die Militärjunta vorgegangen. Mikis Weber halt das für reine Willkür. Natürlich hätten Phyo Zeya Thaw und Kyaw Min Yu zu Protest aufgerufen – aber Gewalt sei von ihnen weder ausgeübt worden noch hätten sie dazu aufgerufen.
"Die wirklichen Auseinandersetzungen spielen sich außerhalb der Stadt ab. Dort befinden sich die Leute, die sich dazu entschieden haben, ihr Leben dem Widerstand zu widmen.
Mit seinen Freunden vor Ort steht der 29-Jährige so gut es geht in Kontakt. Doch viele von ihnen befinden sich in Haft oder sind nicht erreichbar. Denn wer sich dazu entscheidet, sich an der Protestbewegung zu beteiligen, müsse sich in den Untergrund zurückziehen und sollte sich auf keinen Fall unter seiner gemeldeten Adresse aufhalten, berichtet Mikis Weber.
Viele von ihnen würden Aktionen gegen das Militär planen – auch in Form von Gewalttaten. Sie haben sich aus der Stadt zurückgezogen und verstecken sich auf dem Land. Andere seiner Bekannten hätten aber auch den Kontakt abgebrochen und versuchen sich möglichst unauffällig zu verhalten und sich mit dem Leben und der Lage vor Ort zu arrangieren.
Ehemalige Regierungschefin in Einzelhaft
Für Mikis Weber ist die Vollstreckung der Todesurteile ein psychologisches Kalkül. Ähnlich gehe das Militär etwa auch mit der ehemaligen Regierungschefin Aung San Suu Kyi um. Eine Hinrichtung wäre in diesem Fall politisch unmöglich. Deshalb werde die 77-Jährige unter extrem schlechten Haftbedingungen festgehalten. Kürzlich wurde sie aus ihrem Hausarrest in Einzelhaft untergebracht. So wollen sie ihren Lebensgeist schwächen, sagt Mikis Weber.
"Das Militär versucht mit immer hinterhältigeren Aktionen die Moral der Leute zu brechen. Das Gegenteil passiert, aber – der Widerstand geht weiter."
All das würden aber gerade nicht dazu führen, dass das Volk aufgibt. Der Widerstand gegen die Militärjunta hält an. Neben den zwei Aktivisten sollen ein wegen Mordes und ein wegen Vergewaltigung Verurteilter hingerichtet worden sein. Für Mikis Weber ist die Botschaft, die das Militär damit an das Volk aussenden will, klar: Ihr trauert um Verbrecher. Doch das Volk würde das Kalkül des Militärs durchschauen – und weiter protestieren.