Social MediaNeue Funktionen sollen uns angeblich von Tiktok fernhalten

Wenn wir zu lange auf Tiktok abhängen, kann das im schlimmsten Fall Depressionen oder Angstzustände auslösen. Das soll jetzt angeblich besser werden – durch neue Funktionen, die Nutzenden helfen sollen, ihre Bildschirmzeit besser zu kontrollieren.

Mit immer neuen Videos kann uns Tiktok in einen regelrechten Dauer-View-Modus ziehen und der kann gefährlich für unsere mentale Gesundheit sein, wie kürzlich eine Datenrecherche des Bayerischen Rundfunks zeigte. Im Feed-Bereich der App, der sogenannten For-You-Page, sei die Gefahr besonders hoch, dass User*innen in eine Negativspirale voller gefährlicher Inhalte geraten.

Das Unternehmen hat deshalb nun angekündigt, in den kommenden Tagen neue Funktionen einzuführen, die unsere Bildschirmzeit verringern sollen. Die sollen dann in der App unter "Datenschutz und Einstellungen" sowie in der Rubrik "Digital Wellbeing" zu finden sein.

Diese neuen Funktionen sollen die Bildschirmzeit verkürzen

  • Normalerweise wird uns, wenn wir Tiktok öffnen, automatisch ein Video nach dem anderen angezeigt. Diese Autoplay-Funktion können wir bald einschränken und die Nutzungsdauer pro App-Öffnung zeitlich begrenzen. Der Haken dabei: Die Zeitbegrenzung gilt bei jedem Öffnen der App neu. Wer die App kurz schließt, wieder öffnet und einen selbst gewählten Zahlencode eingibt, kann weitergucken. Wieder 40 Minuten – und so weiter. Übrigens: Auf weniger als 40 Minuten kann man die Nutzungszeit nicht beschränken.
  • Unter dem Menüpunkt "Bildschirmzeit" lässt sich einstellen, wie lange man Pause machen will. Nur dann bekommt man von der App eine Erinnerung angezeigt, wenn die Zeit um ist. Diese Erinnerung ist aber nicht verpflichtend.
  • Eine Änderung im Dashboard wird eingeführt: Dieses zeigt Nutzer*innen dann eine Übersicht über deren Nutzungsdauer an – wie wir das schon von Instagram oder von Netflix kennen.
  • Teenager*innen zwischen 13 und 17 Jahren sollen außerdem einmal in der Woche daran erinnert werden, ihr digitales Wohlbefinden im Blick zu behalten. Wenn jemand die App länger als 100 Minuten am Tag genutzt hat, erinnert Tiktok sie oder ihn beim nächsten Öffnen daran, dass es Funktionen zur Kontrolle der Bildschirmzeit gibt.

Eingeständnis eines echten Problems

Tiktok selbst verkauft die neuen Optionen zwar als eine Art Feel-Good-Add-On, in erster Linie seien sie aber ein Eingeständnis, dass der Algorithmus ein Problem darstellt, sagt Deutschlandfunk-Nova-Netzreporterin Martina Schulte.

"Ein Algorithmus, der uns immer wieder neue 15-Sekunden-Videos vor die Nase setzt, ist ein Problem. Unser Gehirn flüstert uns zu: Komm… ein Video geht noch!"
Martina Schulte, Deutschlandfunk-Nova-Netzreporterin

Das Beenden der App sei für viele Leute eine richtig krasse Herausforderung, weil sie immer wieder neue Glücks-, Ekel-, oder Was-auch-immer-Rausch erleben wollen, sagt Martina Schulte.

Ein bisschen Hilfe, mehr nicht

Dass die neuen Tools tatsächlich etwas Wirksames dazu beitragen können, dass sich daran etwas ändert, glaubt die Deutschlandfunk-Nova-Netzreporterin eher nicht. Ähnliche Tools des Meta-Konzerns hätten auch nicht wirklich etwas gebracht.

Natürlich helfe es ein bisschen, wenn uns nicht automatisch immer neue Videos vorgesetzt werden. Vor allem, weil der Algorithmus sehr genau weiß, welche Videos wir uns wie lange anschauen – um uns dann genau das anzuzeigen, was uns bei der Stange hält. Trotzdem: Die Verantwortung, das Autoplay zu pausieren, wird den Nutzer*innen selbst aufgebrummt.

"Man legt den Tiktok-Junkies die Entzugsmaßnahmen quasi in die eigenen Hände."
Martina Schulte, Deutschlandfunk-Nova-Netzreporterin

Eine Ansage wäre es gewesen, das Autoplay für alle standardmäßig auszuschalten, findet Martina Schulte. Doch Tiktok werde das sicherlich nicht freiwillig tun – denn genau darauf basiert ja das eigene Geschäftsmodell.

Bei den anderen Features, etwa der Übersicht über die eigene Nutzungsdauer, sei es ähnlich: Es ist zwar ganz nett, wenn man sich bewusst machen kann, dass man drei Stunden täglich Kurzvideos konsumiert. Einem Tiktok-Junkie bringe das allerdings genauso wenig wie die selbst zu verantwortende Zeitbegrenzung.

Dem Tiktok-Konzern aber dürften die neuen Tools in künftigen Debatten sicher sehr nützlich sein. Sie suggerieren nämlich erfolgreich, dass man ja aktiv tätig geworden ist, um das Suchtpotential der App zu begrenzen, so Martina Schulte.