Bericht über AntisemitismusWie die Gen Z auf Tiktok potenziell radikalisiert wird
Hass und Hetze finden seit Langem auch auf Social Media statt. Ein Bericht der Bildungsstätte Anne Frank mahnt jetzt aber vor einer "Speed-Radikalisierung" von Jugendlichen durch antisemitische Inhalte. Die Macht Sozialer Medien dürfe nicht unterschätzt werden.
Über Verschwörungserzählungen, Desinformation und Hetze wird der Krieg zwischen der Terrororganisation Hamas und Israel auf Social Media weitergeführt, insbesondere auf Tiktok. Ein Bericht der Bildungsstätte Anne Frank warnt davor, wie stark die Plattform vor allem junge Menschen in kurzer Zeit durch antisemitische Inhalte radikalisiere.
Filterblase der Desinformation
Für den Bericht haben die Autorinnen sowohl Inhalte auf Tiktok als auch Äußerungen von Lehrkräften und Schüler*innen in den ersten drei Monaten nach dem terroristischen Angriff der radikal-islamischen Hamas auf Israel am 7. Oktober ausgewertet.
Auf der Video-Plattform haben die Autorinnen unterschiedlichste antisemitische Narrative entdeckt. Deborah Schnabel, die Direktorin der Bildungsstätte Anne Frank und Co-Autorin des Berichts, erzählt etwa von einem Video, in dem der Großangriff der Hamas am 7. Oktober als "Inside Job" bezeichnet wurde. Laut dieser Verschwörungserzählung hätte die israelische Regierung den 7. Oktober geplant, nicht die Hamas.
"Es ist ganz wichtig, dass die Macht in den Sozialen Medien für die Meinungsbildung nicht weiter unterschätzt wird."
"Wir sehen auch andere Phänomene, die wir sonst auch kennen, wie die Täter-Opfer-Umkehr oder Shoah-Relativierung", sagt Deborah Schnabel. Auch sind sie auf Reels gestoßen, mit verkürzten, einseitigen Erzählungen über den Nahost-Konflikt oder antisemitische Codes, die als Emojis verpackt werden.
Auf Tiktok treffen diese Inhalte auf eine sehr junge Zielgruppe, für die die Plattform teilweise auch eine Nachrichtenquelle ist. Bis die Verschwörungserzählungen und Desinformation aber von der Video-Plattform gelöscht werden, vergeht oft zu viel Zeit, kritisiert Deborah Schnabel. Bis dahin konnten die Videos schon viele User erreichen.
"All das, was jetzt im Netz wirksam werden kann, liegt auch an dem geringen Vorwissen, das Menschen in Deutschland zum Thema Antisemitismus haben."
Jugendliche nicht auf Tiktok allein lassen
Im Austausch mit Lehrinnern und Lehrern haben die Autorinnen festgestellt, dass Schüler*innen eine Einordnung der Inhalte, die sie auf Tiktok konsumieren, helfen kann. Wenn Schüler*innen im Unterricht ansprechen, was sie in den Social Media gesehen haben, können die Lehrkräfte darauf reagieren und ihnen aufzeigen, was an dem Video möglicherweise nicht stimmt, zu einfach dargestellt wird oder auch antisemitisch ist.
Allerdings sind die Schüler*innen oft für mehrere Stunden im Netz unterwegs, klicken sich durch viele verschiedene Inhalte. Das alleine durch die Lehrkräfte aufzufangen, sei eine Herausforderung. Deshalb fordern Deborah Schnabel und ihre Kollegin in ihrem Bericht, dass die Medien- und Demokratiebildung viel stärker ausgeweitet werden muss, zum Beispiel über Schulen und anderen formellen Bildungseinrichtungen.
Macht von Social Media wird unterschätzt
Denn: Aktuell würden sich antisemitische Inhalte auch verbreiten können, so Deborah Schnabel, weil sich viele Menschen in Deutschland zu wenig mit Antisemitismus auskennen, vor allem mit israelbezogenem Antisemitismus und aktuellen Formen von Antisemitismus.
Zudem sei es entscheidend, dass anerkannt werde, wie groß der Einfluss von Social Media mittlerweile sei. Die Macht der Sozialen Medien wird unterschätzt, warnt sie.