Tierleid bei der WollproduktionWolle(n) wir das?
Es gibt keine Wolle, die ohne Tierleid entsteht - das sagt die Tierrechtsorganisation Peta. Sie hat in Australien und den USA undercover gefilmt, was beim Schafescheren passiert. Doch an den Videos gibt es auch Kritik.
Deutschlandfunk-Nova-Reporterin Kristin Mockenhaupt hat sich die Videos angesehen: Es wird gezeigt, wie Scherer die Schafe treten, mit Fäusten, den Schermaschinen und einmal sogar mit einem Hammer ins Gesicht schlagen. Sie stehen auf den Tieren und auch auf deren Hals. Und es ist auch zu sehen, wie Schafe geschnitten werden – und zwar so, dass es richtig blutet. Einmal stirbt sogar ein Schaf. Diese Videos sollen in Scherhütten in Australien und in den USA entstanden sein. Australien ist einer der größten Wollproduzenten der Welt. Das heißt: In den Klamotten, die wir hier in Deutschland kaufen, ist oft australische Wolle verarbeitet.
Kritik an den Videos
Peta behauptet, insgesamt seien die Tierschützer in 46 Scherhütten in den USA und Australien dabei gewesen und fast jedes Mal seien Tiere misshandelt worden. Wie oft das tatsächlich passiert, ist aber schwer zu sagen. Es gibt auch jede Menge Videos im Netz, auf denen es so wirkt, als würde es den Tieren nichts ausmachen, dass sie geschoren werden und auf denen sie nicht verletzt werden. Schafzuchtverbände – zum Beispiel aus Australien, den USA und auch Deutschland - distanzieren sich klar von so einer Behandlung, wie sie in den Peta-Videos zu sehen ist. Und Anette Wolfarth von der Vereinigung deutscher Landesschafzuchtverbände hat große Zweifel am Wahrheitsgehalt der Peta-Behauptungen.
"Gehen Sie da mal von aus, dass auch in Australien die Schafe nicht so geschoren werden, wie Peta das angibt. Da bin ich mir ganz sicher, dass das so nicht läuft."
Klar ist: Die Wolle wächst und muss irgendwann runter – zumindest bei den Schafen, die wir gezüchtet haben. Was die Tierschützer kritisieren, ist aber nicht nur die Schur, sondern die ganze Haltung. So seien die Herden viel zu groß und die Schafe hätten zu wenig Platz.
Die Sache mit den Fliegen
Kritisiert wird auch das Mulesing. Dabei werden den Schafen rund um den After und am Schwanz Hautfetzen abgeschoren, bis es blutet, und das Ganze vernarbt. Das soll verhindern, dass sich Fliegen einnisten. Die Insekten legen ihre Eier nämlich in den Hautfalten der Schafe ab, und die Larven fressen die Schafe nachher quasi von innen heraus auf. Genau deshalb sind die Meinungen über das Mulesing sehr gespalten. Tierschützer sprechen von Tierquälerei. Und Schäfer entgegnen: Wenn sie ihren Schafen dabei zusehen würden, wie sie von Maden zerfressen werden, sei das eine viel größere Qual. In Europa ist das Mulesing aus Tierschutzgründen verboten. Allerdings sind Fliegen hier wegen des Klimas auch nicht so ein großes Problem.
Auch in Größe der Herden unterscheidet sich Australien von Europa. In Deutschland leben in einer Herde in der Regel maximal 1500 Tiere, sagt Schäfer Hans Peter Erhard von der Schäfereigenossenschaft Finkhof in Baden-Württemberg. In Australien sind das schon mal 10.000 oder mehr. Und auch bei der Schur gibt es einen großen Unterschied. Denn die Schafschur ist in Australien extreme Akkordarbeit. Die Scherer werden pro Schaf bezahlt und bekommen für ein Schaf nicht so viel Geld wie in Deutschland. Die Folge: Sie versuchen, besonders viele Schafe in der Stunde zu scheren, sagt Erhard.
"Wenn ein Scherer am Tag - was weiß ich - 700, 800, 900 Schafe schert, auf dem Boden, dann ist das was anderes, als wenn man in Deutschland in der Stunde sechs Schafe schert und die auf der Bank sitzen."
Denn klar sei: Wenn die Schafscherer am Ende ihrer Kräfte seien, gingen sie auch eher brutal mit den Schafen um. In Deutschland habe er das aber noch nie erlebt – und er sei bei vielen Schuren dabeigewesen. Erhard versichert: Jedem Schäfer lägen seine Tiere am Herzen und keiner wolle, dass die unnötig Stress haben. Schäfer und Scherer würden die Schafe deshalb wie rohe Eier behandeln.
Wer sichergehen will, dass für seinen Wollpullover kein Schaf gequält wurde, sollte bei zertifizierten Produzenten kaufen, die auf artgerechte Tierhaltung achten. Die Wolle kommt dabei in der Regel aus Europa. Wobei unsere Reporterin Kristin Mockenhaupt aber sagt: Die Klamotten, die es bei den meisten zertifizierten Herstellern zu kaufen gibt, sind nicht gerade stylisch. Es gibt zwar auch Designerlabels, die tierleidfreie Wolle benutzen - zum Beispiel Lanius aus Köln oder das US-Label Brave Gentleman - doch die sind eben ziemlich teuer. Wer nicht so viel für gute Wolle ausgeben will, sollte vielleicht ganz auf Produkte aus Wolle verzichten, wenn ihm die Schafe am Herzen liegen.