SchlachtenLisa, die Letzte
Lisa ist eine Kuh, Ohrmarkennummer 24285. Für DRadio-Wissen-Autorin Stephanie Doetzer ist Lisa mehr als nur eine Nummer. Sie ist eine von 16 Kühen, um die sie sich seit knapp einem Jahr kümmert. Doch dann soll Lisa geschlachtet werden.
Lisa - geboren am 24. Juli 2003, gestorben am 28. April 2014
Lisa muss sterben
Lisa ist eine Hinterwälder-Kuh, eine alte Schwarzwaldrasse, robust, genügsam und geländegängig. Sie kann steile Berghänge rasend schnell heruntergaloppieren. Genau das hat sie in den vergangenen elf Jahren zur Genüge getan. Doch irgendwann ist Schluss: Lisa ist alt - für eine Kuh -, sie gibt nur noch wenig Milch und trottet abends hinkend zum Stall. Bauer und Tierarzt sind sich einig: Lisa ist eine Kandidatin für den Schlachter.
Stephanie Doetzer möchte die Schlachtung selbst organisieren, so lisafreundlich wie möglich. Am liebsten eine Schlachtung auf dem Hof, ohne Transport, direkt auf der Weide.
"Als Kind wollte ich Tiere vorm Schlachter retten, am besten alle. Metzger waren für mich so was wie Massenmörder. Und jetzt musste ausgerechnet ich eine Schlachtung organisieren."
Tierfreundliche Schlachtung?
Doch Hofschlachtungen sind nur noch für den Eigenbedarf erlaubt, das Fleisch darf nicht verkauft werden. Für die Kühltruhe zu Hause ist eine Kuh aber viel zu groß. Die Alternative ist eine kleine Familienschlachterei, eine halbe Autostunde vom Hof entfernt. Ulli Reichenbach, der Inhaber, ist selbst Kuhliebhaber - nicht nur auf dem Teller.
"Früher war ich strenge Vegetarierin. Ich dachte, es wäre unmöglich, ein Tier zu essen, um das ich mich selbst gekümmert habe. Dabei ist es das Gegenteil: Ich will kein anonymes Tier aus dem Supermarkt essen, aber bei denen, die ich kenne, da ist es ok."
Sterbebegleitung bei einer Kuh
Während der Schlachttag immer näher rückt, zerbricht sich unsere Autorin den Kopf über die ethisch-moralischen Dimensionen einer Kuhtötung. Lisa steht auf der Weide und frisst.
"Wie macht man Sterbebegleitung bei einer Kuh? Ich hab's so gemacht: Eine große Portion Getreideschrot und kurz vor der Abfahrt noch einmal durchstriegeln. Beim Schlachter ging alles ganz schnell - zu schnell für Abschiedsreden."