Thanksgiving nach der US-WahlDer Feind an meinem Tisch
Gräben überbrücken an Thanksgiving: Wie der Wahlsieg von Donald Trump nicht nur das Land, sondern ganze Familien spaltet.
Heute (24.11.2016) ist Thanksgiving in den USA - das Fest, an dem die ganze Familie zusammenkommt und das für Amerikaner fast noch wichtiger ist als Weihnachten. Aber geht das in diesem Jahr so einfach? Das Land ist gespalten, auch ganze Familien, in denen unterschiedlich gewählt wurde. Wie gehen amerikanische Familien damit um? Wie ist das, nach Hause zu fahren zu Vätern und Müttern, die trotz rassistischer und sexistischer Rhetorik Trump ihre Stimme gegeben haben? Unsere Reporterin Hanna Ender hat sich in ihrem amerikanischen Freundeskreis umgehört.
Dabei hat sie ganz unterschiedliche Taktiken ausgemacht. Für Hannas Freundin Brenda ist Thanksgiving der blanke Horror. Sie stammt aus Tennessee, aus einer konservativen Südstaatenfamilie. Ihre Eltern, Onkel, Tanten, Cousins - alle haben für Trump gestimmt. Brenda ist die Einzige in ihrer Familie, die Hillary ihre Stimme gegeben hat. Brenda hat ihre Eltern deshalb in einer SMS angefleht: Bitte lasst uns an Thanksgiving am Tisch über alles reden - nur nicht über Politik.
"Basically, just don’t talk about it! If you’re excited about Trump, just don’t talk about it in front of me!"
Rückzug statt Konfrontation - so ein Thanksgiving-Dinner dürfte ziemlich frostig ausfallen. Und genau deshalb setzt Hannas Freundin Christina lieber auf auf totale Konfrontation. Christina bezeichnet sich selbst als links - favorisierte zunächst Bernie Sanders und ist dann nach seinem Ausscheiden zu Hillary gewechselt. Und da ist ihr Vater: zeit seines Lebens konservativer Republikaner, der natürlich Trump gewählt hat. Die beiden hatten sich schon immer politisch in der Wolle, sagt Christina, aber ganz besonders bei dieser Wahl.
"So, yeah, I’m a lifelong progressive and my dad in particular is a lifelong republican. The differences of opinion were always there - but this election made them impossible to ignore."
Christina und ihre Familie hatten ein vorgezogenes Thanksgiving-Dinner am Wochenende und damit bei Tisch kein Krieg ausbricht, hat sich Christina am Morgen davor mit ihrem Vater zur politischen Aussprache getroffen - eine Art High Noon, bei dem während eines dreistündigen Gesprächs ganz schön die Fetzen flogen. Für Christina war es wichtig, dass sie Dampf ablassen konnte. Und immerhin: Bei einem Punkt hat Christinas Vater seine Tochter verstanden: Als sie ihm erklärt hat, wie sehr sie sich als Frau von Trumps sexistischen Äußerungen angegriffen gefühlt hat und wie schnell solche Äußerungen in körperliche sexuelle Übergriffe und Grapschereien münden können - und dass ihr das selbst schon passiert sei. Richtig einig waren sich Christina und ihr Vater nach dem Küchen-Duell immer noch nicht. Aber es hat zumindest gezeigt, dass Zuhören und Reden helfen können, einander zu verstehen - wenigstens ein bisschen.
Dieses Thanksgiving kommt zu früh für Ben
Hanna hat aber auch Freunde, die dieses Jahr an Thanksgiving gar nicht nach Hause fahren. Zum Beispiel Ben aus New York. Er ist schwul und hat kurz vor der Wahl seinen Freund geheiratet. Seine Mutter war auch auf der Hochzeit, obwohl sie seit Jahrzehnten Republikanerin und Trump-Wählerin ist. Ben stand klar auf Hillarys Seite. Er hat seine Mutter angefleht, nicht für Trump zu stimmen, weil das auch eine Stimme gegen sein Leben und seine Ehe sei. Dass seine Mutter trotzdem für Trump gestimmt hat - das hat Ben nach eigener Aussage das Herz gebrochen. Und deshalb ist für ihn klar: Thanksgiving mit seiner Mutter - das kommt für Ben in diesem Jahr noch zu früh.