Überläufer Thae Yong HoEiner der schärfsten Kritiker von Kim Jong Un
Es könnte der Plot einer Spionagegeschichte sein: Ein hochrangiger Angestellter des nordkoreanischen Regimes flieht nach Südkorea. Die Geschichte ist wahr, der Name des Überläufers ist Thae Yong Ho. Reporter Fabian Kretschmer hat sich mit ihm getroffen, um über sein neues Leben und Einblicke in das nordkoreanische Regime zu sprechen.
Im Sommer 2016 hat der Nordkoreaner Thae Yong Ho sein altes Leben hinter sich gelassen und sich nach Südkorea abgesetzt. Besonders ist dabei, dass Thae Yong Ho bis zu seiner Flucht als stellvertretender Botschafter in London für das Regime von Diktator Kim Jong Un gearbeitet hat. Er gilt heute als Überläufer mit dem höchsten Rang und größten Insider-Wissen. Mittlerweile hat er eine Biografie geschrieben, die im Koreanischen erschienen ist. Darin gibt er einen seltenen Einblick in den Alltag politischer Eliten in Pjöngjang. Fabian Kretschmer, Korrespondent und Reporter in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul, hat sich mit Thae Yong Ho getroffen.
Schon im Vorfeld des Interviews musste Fabian besondere Vorkehrungen treffen: ein anonymes Hotelzimmer anmieten und sicherstellen, dass dieses Hotel einen direkten Zugang zu einer Tiefgarage hat. Zum Termin, erzählt Fabian, erschienen erst einmal zwei Bodyguards, die den Raum durchsucht haben. Dann kam Thae Yong Ho.
"Als ich auf meinen Interviewpartner gewartet habe, wurde ich zunächst von zwei Bodyguards in schwarzen Anzügen begrüßt, die den Raum gründlich gefilzt haben."
Thae Yong Ho selbst beschreibt Fabian als intelligenten und charismatischen Menschen. Er kann sich gut vorstellen, dass Thae Yong Ho mit seinen Talenten ein Verlust für das nordkoreanische Regime war. Fabian glaubt sogar, dass dieses Regime sich vor Thae Yong Hos Einfluss auf der westlichen Seite fürchten könnte – denn er gilt als einer der schärfsten Kritiker von Kim Jong Un.
"Ich habe selten einen derart einnehmenden Menschen erlebt – rhetorisch brillant, charmant und hochintelligent."
Glücklich wirke Thae Yong Ho aber nicht, sagt Fabian. In Südkorea werde er rund um die Uhr bewacht, denn ein Anschlag sei nicht auszuschließen – Diktator Kim Jong Un wird zum Beispiel nachgesagt, den eigenen Bruder Kim Jong Nam am Flughafen Kuala Lumpur vergiftet haben zu lassen. Zudem sei sich Thae Yong Ho recht sicher, dass die meisten seiner Verwandten in Nordkorea durch seine Flucht in Umerziehungslager gebracht wurden. Trotzdem bereue er es nicht, mit seiner Familie geflohen zu sein – er wolle seine zwei Söhne in einer freien Gesellschaft leben lassen.
"As a father, as a human being, I should let them free. I can´t dictate or force them to live in that miserable society."
Innerer Wandel durch Informationsrevolution
Zu Kim Yong Un hat Thae Yong Ho eine sehr nüchterne Meinung, sagt Fabian. Er zeichnet ein anderes Bild des Diktators, als es die westlichen Medien überwiegend vermitteln: Für ihn ist Kim Jong Un sehr intelligent und rücksichtslos. Um seine Macht zu sichern, habe Kim Jong Un seine Konkurrenten aus dem Weg geräumt. Wie es die Kim-Dynastie über Generationen schon geschafft habe, Widerspruch und anderes Denken zu unterdrücken.
"Since my first arrival in South Korea I continued to say: Kim Jong Un is very smart, he is very intelligent – but with a merciless character."
Eine nukleare Abrüstung Nordkoreas halt Thae Yong Ho aktuell für unwahrscheinlich. Auch wenn sich das Land in den vergangenen Wochen auf die internationale Gemeinschaft zu bewegt hat – beispielsweise bei den Denuklearisierungs-Verhandlungen mit dem US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump.
Ein Krieg gegen Nordkorea dürfe aber keine Option sein, sagt Thae Yong Ho. Der eigentliche Wandel, glaubt er, wird aus dem Land selbst kommen: durch eine Art Imformationsrevolution. Er hat Fabian erzählt, dass Aktivisten und NGOs USB-Sticks mit südkoreanischen Fernsehserien, K-Pop oder politischen Informationen über die chinesisch-nordkoreanische Grenze schmuggeln.
"Thae glaubt, dass der nordkoreanische Wandel von innen kommen wird: durch eine Art Informationsrevolution."
Gerade auch durch die pop-kulturellen Eindrücke aus Südkorea bekämen die Nordkoreaner mit, wie es sei, in einem freien demokratischen Land zu leben. Diese Strategie könne aber nicht von heute auf morgen erfolgreich sein und eine Revolution auslösen, sagt Thae Yong Ho. Dafür sei die Kontrolle noch zu umfassend.
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