Textil-Ingenieurin Franziska Uhl"Hundehaar ist hochwertiger als jedes andere Tierhaar"
Die Textil-Ingenieurin Franziska Uhl hat aus Hundehaar Wolle entwickelt, die sich für nachhaltige Mode eignet. Nach zweimal einweichen und einer 40-Grad-Wäsche riecht Chiengora-Wolle auch nicht mehr nach Hund.
Die Modedesignerin Ann Cathrin Schönrock hat nach einer ethisch nachhaltigen Alternative zu den handelsüblichen Tierhaarfasern gesucht. Das, was sie sich vorstellte, gab es einfach nicht.
Als Ann Cathrin ihre Mutter beobachtete, wie sie das Fell ihres Hundes auskämmte, kam ihr die Idee: Anstatt die Unterwolle der Hunde tonnenweise wegzuschmeißen, könnte man sie doch auch nutzen.
Ressource Hundehaar retten
Um aus der Unterwolle verwertbares Material für Textilien zu erstellen, hat Ann Cathrin Schönrock ihre Freundin Franziska Uhl für die technische Entwicklung und die Verarbeitung ins Boot geholt. Gemeinsam haben sie das Textil-Start-up Modus Intarsia gegründet.
Franziska studiert in Reutlingen Textil-Technik und forscht nach nachhaltigen Materialien, weil sie es sehr kritisch sieht, dass wir Tonnen von Plastikfasern produzieren, obwohl es genug nachhaltige Naturressourcen gibt.
"Die Unterwolle vom Hund ist superfein, weich, fast noch weicher und feiner als Kaschmir oder Mohair."
Die Unterwolle vom Hund hat ungefähr die gleiche Qualität wie ein Kaschmir- oder Mohair-Pulli, sagt Franziska. Dabei müsse man aber unterscheiden zwischen Wolle und feinem Tierhaar. Als Wolle bezeichnet man alles, was vom Schaf kommt.
Für nachhaltige Mode: Chiengora
Feines Tierhaar ist der Oberbegriff für Kaschmir, Angora, Mohair, Kamelhaar und andere, erklärt die Textilingenieurin. Die Hundewolle heißt in der Fachsprache Chiengora, abgleitet vom Französischen chien, auf Deutsch Hund.
"Unterwolle von Hunden ist mit Abstand qualitativ hochwertiger als jede andere Tierhaarfaser, die man auf dem Markt findet."
Franziska forscht noch daran, welche Hundehaare sich am besten eignen und wie sie besonders gut weiterverarbeitet werden können. Sie und Ann Cathrin sind die ersten, die versuchen, daraus eine industrielle Produktion zu entwickeln. Denn es gab schon immer Menschen, die die Unterwolle von Hunden von Hand verarbeitet haben.
Franziska ist die erste, die das Hundehaar sozusagen unter die Lupe nimmt und verschiedene Testläufe damit unternimmt. Dabei kann sie feststellen, welches Hundehaar feiner oder gröber ist. Im Schnitt seien aber alle sehr fein - im Ergebnis zählt deshalb Hundehaar zur feinen Wolle.
"Die Wollwäsche braucht enorm viel Energie und Wasser."
Wer fürchtet, er stinke im Chiengora-Pulli wie sein Hund, dem hält Franziska entgegen, dass Alpakas oder Kaschmirziegen, die in Herden im Stall gehalten werden, auch extrem stinken. Diese Wolle zu waschen benötige sehr viel Energie und Wasser, damit der Gestank verschwindet. Erschwerend kommt hinzu, dass Schafswolle mit einem Wollfett imprägniert ist, das man nur schwer aus der Wolle herausbekomme.
Hunde sind dagegen relativ sauber und stinken weniger, weil sie häufiger gewaschen werden. Deshalb muss Franziska das Hundehaar nur zweimal in Wasser einweichen und einmal bei 40 Grad durchspülen. Danach würde es nicht mehr nach Hund riechen.
"Wenn ich Hundehaar wasche, dann weiche ich es zweimal in Wasser ein, spüle es mit 40 Grad durch und dann ist es geruchsneutral."
Damit die beiden Unternehmerinnen genug Hundehaar für die Produktion bekommen, bauen sie derzeit ein Sammlernetzwerk aus Hundehaltern und –züchtern auf, die die Hundewolle sammeln und ihnen zusenden. Die Sammlerinnen bekommen pro Kilo 40 Euro – "das ist praktisch der Kaschmir-Preis", sagt Franziska. Damit wollen sie auch die Wertschätzung garantieren.
"Es gibt viele, die die Hundewolle sammeln, aufbewahren, aber nicht wissen, was sie damit anstellen sollen."
Franziska sagt, dass es ihr bei dem Unternehmen nicht um Gewinnmaximierung geht, sondern sie will die Ressource retten und daraus ein hochqualitatives Produkt herstellen und den Ressourcenspendern etwas Gutes tun – damit es einen Kreislauf gibt.