Teure Apps auf RezeptAdipositas-Gesundheits-App "Zanadio" geht pleite

Krankenkassen übernehmen (im besten Fall) die Kosten für Behandlungen, Medikamente – und seit Oktober 2020 auch für ärztlich verschriebene Gesundheits-Apps. Der Hersteller der meistverschriebenen App "Zanadio" hat jetzt Insolvenz angemeldet.

Die App "Zanadio" ist als grundsätzlich wirksam in den Katalog der verschreibungsfähigen Gesundheits-Apps aufgenommen worden. Sie soll bei der Gewichtsabnahme von krankhaft übergewichtigen Menschen helfen. Laut der Herstellerfirma Aidhere hat sie bereits bei mehr als 30.000 Patient*innen zu einer Gewichtsreduzierung geführt – insgesamt sollen es fast 100 Tonnen sein, das wären im Schnitt 3,33 Kilo Gewicht pro Person.

"Zanadio" war die am häufigsten verschriebene App auf Rezept – vor "Kalmeda" gegen Tinnitus, "Vivira" gegen Rückenschmerzen, "deprexis" gegen Depressionen und "somnio" gegen Schlafstörungen. Die absoluten Zahlen dieser Verschreibungen vom Arzt sind allerdings ziemlich gering, sagt Deutschlandfunk-Nova-Netzreporter Michael Gessat.

Viele Nutzende halten App für verzichtbar

Anfang des Jahres veröffentlichte die Krankenkasse AOK eine Untersuchung: Demnach nutzen viele Patient*innen die verschriebene App weniger lang als vorgesehen. Und die Mehrzahl der Nutzenden hält die jeweilige App für verzichtbar. Die kassenärztliche Vereinigung Bayern hatte Gesundheits-Apps sogar als "eine reine Projektionsfläche für die Hoffnungen auf eine zeitgemäße Digitalisierung im Gesundheitswesen" bezeichnet.

"Die ursprünglichen Kalkulationen der App-Anbieter, welcher Betrag von den Krankenkassen nach der Verschreibung erstattet werden sollte, waren etwas sehr ambitioniert."
Michael Gessat, Deutschlandfunk-Nova-Netzreporter

Für die Abnehm-App "Zanadio" waren ursprünglich 499,80 Euro fällig. Ein Preis von 400-500 Euro war der Durchschnitt bei den Gesundheits-Apps pro Verschreibung bzw. pro Quartal – die Kalkulationen der App-Anbieter waren also durchaus ambitioniert, sagt Michael Gessat.

Normale Apps sind entweder gratis oder sie kosten vielleicht drei bis fünf Euro, Premiumprodukte vielleicht auch etwas mehr. Die Gesundheits-Apps auf Rezept waren dagegen vergleichsweise sehr teuer. Die Anbieter konnten die Preise im ersten Jahr frei festlegen.

Gesundheits-Apps sind oft sehr teuer

Natürlich werden andere Apps in der Regel auch sehr viel häufiger heruntergeladen und bezahlt. Eine spezifische Gesundheits-App benötigt also mehr Aufwand und Expertise, sie muss zertifiziert werden und individuell betreut: Bei "Zanadio" bekamen die Patient*innen zum Beispiel ein persönliches Coaching per Chat oder Videochat geschenkt.

Trotzdem ist eine App kein Hexenwerk oder Wunder der Technik, findet Michael Gessat. So ähnlich sah das auch der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen und hat die zunächst verlangten Preise bzw. Erstattungen pro Verschreibung oder Quartal drastisch gekürzt – bei "Zanadio" zum Beispiel um mehr als die Hälfte von knapp 500 auf 218 Euro.

Und weil diese Preise ab Oktober 2021 rückwirkend gelten, müssen die Hersteller diese signifikanten Beträge jetzt zurückzahlen. So ist dann auch die Pleite des Herstellers Aidhere zu erklären.

"Weil diese Preise ab Oktober 2021 rückwirkend gelten – solange war das Verfahren in der Schwebe – müssen die Hersteller nun signifikante Beträge zurückzahlen."
Michael Gessat, Deutschlandfunk-Nova-Netzreporter

Michael Gessat macht deutlich, dass es äußerst schwer ist, die dahinterliegenden Prozesse objektiv zu bewerten. Grundsätzlich tendieren die Strukturen im Gesundheitssystem dazu, dass sich Anbieter von Apps, Medikamenten oder auch IT-Systemen "eine goldene Nase verdienen" können, sagt er. In die Geschäfte der Firma Aidhere seien zum Beispiel auch Risikokapitalgeber involviert, die überdurchschnittliche Renditen erwirtschaften wollen.

Was eine App wie "Zanadio" also tatsächlich wert ist und an ärztlichen Leistungen einsparen kann, sei nur äußerst schwer einzuschätzen.