"Operation" statt "Krieg"Die Propaganda in Russland funktioniert

In Russland ist es schwierig, an Informationen zu kommen, die nicht vom Staat manipuliert sind. Menschen, die nicht explizit nach diesen Informationen suchen, erfahren nicht einmal, dass es einen Krieg gibt.

In den Medien Russlands wird nicht von einem Krieg in der Ukraine gesprochen. Vielmehr erfahren Russinnen und Russen über eine "militärische Sonderoperation zur Friedenssicherung", weil die Medienaufsicht Begriffe wie Krieg, Invasion und Angriff untersagt.

Tamina Kutscher ist Chefredakteurin von Dekoder. Das Portal übersetzt russische Medien ins Deutsche. Sie vermutet, dass ein relevant großer Teil der russischen Bevölkerung der Erzählung in den Medien glaubt. "Man darf nicht unterschätzen, wie schwer der Propagandateppich wiegt unter dem das Land liegt."

Glaube an russische Medien sei nicht verwunderlich

Wenn sie die Lage im Land beobachtet, findet sie den Glauben der Bevölkerung in Nachrichten aus Medien nicht verwunderlich. Im Osten der Ukraine ist seit 2014 Krieg. Gleichzeitig führt Russland einen Informationskrieg gegen Bürger*innen. Die Propaganda sei verbunden mit Gewalt und Angst ins Land, sagt Kutscher. "Das alles zeigt irgendwann Wirkung."

Der Mechanismus kann nur funktionieren, wenn die Regierung Kontrolle über verbreitete Nachrichten hat. Daher ist das Staatsfernsehen in Russland omnipräsent. Zwar können sich Russinnen und Russen im Netz und in Social Media informieren, doch das Fernsehen erreicht praktisch jeden Haushalt.

Krieg ist nur eine von vielen Sorgen

Vor allem ältere Generationen informieren sich darüber, sagt Tamina Kutscher. "Im Netz werden auch immer mehr Seiten blockiert. Da muss man sich erst VPN runterladen." Die Hürden seien generell groß, sich unabhängig zu informieren.

"Wenn man sich dann in einem Schockmoment befindet, dann nimmt man gern die Interpretation an, die einem im russischen Fernsehen geboten wird."
Tamina Kutscher, Chefredakteurin von Dekoder

Hinzu kommt, sagt Tamina Kutscher, dass viele Menschen in Russland alltägliche Sorgen haben und sich schon allein deshalb nicht um Geopolitik kümmern.

Die Auswirkungen auf Russinnen und Russen durch den Krieg in der Ukraine sind im Alltag allerdings mehr und mehr spürbar. Manche Produkte gibt es nicht mehr, es ist schwieriger an Bargeld zu kommen, die Inflation steigt.

Dass viele russische Soldaten im Krieg gegen die Ukraine sterben werden, wird sicher Fragen in der Bevölkerung aufwerfen, sagt Tamina Kutscher. Auch die verstärkten Sanktionen vom Ausland werden sich bemerkbar machen. Eine Prognose, was das auslösen wird, sei aber praktisch unmöglich.

"Es ist zu früh, um zu sagen, was dann passiert, weil man muss damit rechnen, dass Mittel und Wege gefunden werden, dass eine Proteststimmung – sofern sie sich in der breiten Masse ausbildet – zu unterdrücken."