Islamische Gemeinden und Syrische FlüchtlingeDer Islam nach der Flucht
Tausende Flüchtlinge aus Syrien kommen nach Deutschland. Welchen religiösen Background sie haben und wie sich das Islambild der Deutschen verändern könnte, erklärt die Journalistin und Syrien-Kennerin Kristin Helberg.
"Grundsätzlich sind die Syrer gläubige Menschen", sagt Kristin Helberg. Die freie Journalistin und Syrien-Kennerin hat von 2001 bis 2008 in Damaskus gelebt und von dort als Korrespondentin berichtet. Aus ihrer Erfahrung schildert sie städtische Sunniten als eher konservative Muslime, die ihren Glauben sichtbar praktizieren, aber auch tolerant und offen sind. Von den syrischen Muslimen kann man indessen nicht sprechen. Auch hier werde die Glaubensauslegung durch den Bildungsgrad und Sozialisation beeinflusst etwa dadurch, aus welcher Region man komme.
"Mit den Syrern können wir vielleicht lernen, dass man seinen Glauben selbstbewusst praktizieren kann und deswegen noch nicht radikal sein muss.“
Religionsvielfalt sind die Syrer gewohnt. Sowohl Katholiken, Orthodoxe, Protestanten, Alawiten, Drusenals als auch weitere muslimische Strömungen gibt es in dem Land, erklärt Kristin Helberg. Eine Herausforderung könnte hingegen der Umgang mit einer säkularen Gesellschaft sein. "An nichts zu glauben ist eher etwas, das erst einmal Unverständnis auslöst," sagt sie. Dies sei etwas, das erklärt werden müsse.
Traumatisiert vom IS
Gleichzeitig, so die Nahost-Expertin, sei es wahrscheinlich, dass sich viele gegen harte muslimische Regelungen stellen werden. Denn einige der Geflohenen haben traumatische Erfahrungen mit dem Unterdrückungssystem des Islamischen Staats gemacht. Erfahrungen, die sie dagegen gewappnet haben könnten, sich von radikalen Islamisten vereinnahmen zu lassen.
"Sie wollen sich integrieren. Sie haben so viel riskiert hierher zukommen, dass sie sich ins Zeug legen werden. Sie wollen unbedingt eine Zukunft für ihre Kinder aufbauen“
Wie und ob sich die muslimischen Gemeinden durch den syrischen Einfluss verändern werden, lässt sich nicht eindeutig prognostizieren. Es könnte aber eine Chance sein, sagt Kristin Helberg, ein mehr als 40 Jahre altes Bild des Islam in Deutschland zu verändern. Eines das durch die ersten anatolischen Einwanderer geprägt ist, und das vor allem mit einer patriachalischen Tradition verknüpft ist. Ein Bild, das in vielen Teilen der muslimischen Gemeinden als veraltet gilt.
Besonders in Bezug auf das Bild der muslimischen Frau könnte Bewegung in die Außenwahrnehmung auf den Islam kommen, meint Kristin Helberg: "Die syrischen Frauen, die jetzt kommen, sind durchaus gut ausgebildet. Waren an der Uni, sind sehr selbstbewusst und selbstbestimmt. Ob sie nun Kopftuch tragen oder nicht.“