SyrienVon der Welt im Stich gelassen
Amer Matar ist syrischer Journalist und Filmemacher und stammt aus Rakka. Vor zwei Jahren musste er sein Land verlassen. Es stört ihn, dass ausländische Journalisten sich hauptsächlich für die in Syrien kämpfenden Deutschen oder Franzosen interessieren, aber kaum noch für das syrische Volk.
Als 2011 die Revolution in Syrien ausbricht, dreht Amer gerade einen Film in der Gegend von Rakka. Rakka ist damals eine arme, aber friedliche Stadt im Nordosten Syriens, so groß wie Mainz oder Rostock. 200.000 Menschen leben dort. Die Menschen unterstützen die säkulare Baath-Partei von Präsident Assad. Niemand kann sich damals vorstellen, dass die Stadt einmal die Hochburg des IS werden würde.
"Ich konnte meinen Film nicht zu Ende drehen, weil dann brach die Revolution aus. Und die Panzer des Regimes kamen angerollt und die Straßen wurden gesperrt."
Der Nordosten Syriens leidet damals unter einer großen Trockenheit, die Ernte ist ausgefallen, die Landwirtschaft liegt am Boden und eine halbe Million Menschen ziehen weg in den Süden des Landes. Amer befragt Familien, die jetzt in Zelten leben müssen. Bevor er seinen Film zu Ende drehen konnte, rollten Panzer über die Zelte.
Der Arabische Frühling in Syrien
Genau wie in Tunesien oder Ägypten gehen auch im Frühjahr 2011 in Syrien Menschen gegen das eigene Regime auf die Straße, in Damaskus, in Aleppo und auch in Rakka. Amer ist von Anfang an mit seiner Kamera dabei. Syriens Präsident Assad geht brutal gegen die Demonstranten vor, lässt auf sie schießen. Journalisten dürfen nicht mehr über die Proteste berichten. Amer tut es wie viele Kollegen trotzdem. Und landet schon zwei Wochen später im Gefängnis.
"Wir hatten den Traum, dass wir uns befreien von einem diktatorischen Regime. Jetzt muss ich leider sagen, dass sich dieser Traum nicht verwirklicht hat."
Als Amer wieder freikommt, geht er in den Untergrund. Der Geheimdienst lockt ihn in einen Hinterhalt, er wird ein zweites Mal verhaftet und gefoltert. Er soll die Verstecke der Opposition verraten. Aber er hält dicht und landet ein zweites Mal im Gefängnis. Als er wieder freikommt, verlässt er Syrien. Er will nicht riskieren ein drittes Mal verhaftet zu werden.
Da explodiert eine Autobombe
Erst von Jordanien, später von Deutschland aus beobachtet Amer Matar weiterhin, was in Syrien geschieht. Sein Bruder - ebenfalls Filmemacher - lebt nach wie vor in Rakka. Er dokumentiert den Kampf zwischen der Freien Syrischen Armee und den Islamisten des ISIS in seiner Stadt. Am 14. August 2013 filmt er eine Demonstration gegen die Islamisten vor dem Hauptquartier der Freien Syrischen Armee. Nach der Explosion einer Autobombe verschwindet der Bruder.
Für Amar ist das der Moment, wo er bei seiner Familie sein will. Er kehrt zurück nach Rakka. Er erlebt, wie sich die Stadt unter der Herrschaft des IS verändert hat. Die Milizen mischen sich in das Privatleben der Menschen ein. Gleichzeitig lässt auch das syrische Regime von Baschar al-Assad die Menschen in Rakka nicht in Ruhe.
"Die Situation ist die: Morgens wird man beschossen von dem Regime. Abends von der Isis, das ist die Situation der Menschen."
Mehr Links zu Amer Matar im Netz
- Porträt von Amer Matar | Video der Deutschen Welle
- Syria's activists: politics of anger | Artikel bei opendemocracy.net