SyrienkriegAssads Totenlisten
Seit 2011 führt der syrische Präsident Baschar al-Assad Krieg gegen die eigene Bevölkerung. Tausende Menschen sind seitdem verschwunden. Jetzt veröffentlicht der Machthaber Totenlisten, auf denen viele der Vermissten auftauchen.
Das Verschwindenlassen ist eine der Methoden Krieg gegen die eigene Bevölkerung zu führen. Die Opposition soll so unterdrückt und mundtot gemacht werden. Eine Methode, die aus anderen Konfliktregionen wie Kolumbien, Mexiko oder Argentinien und Chile bekannt ist.
Verschwindenlassen von Menschen ist eine Form der Kriegsführung
Laut der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte sind 81.652 Menschen verschwunden, die zwischen März 2011 und Juni 2018 verhaftet wurden. Das sei nur die Spitze des Eisbergs, zitiert unser Korrespondent Carsten Kühntopp die Organisation. Denn das seien nur die Fälle, die die Organisation zweifelsfrei dokumentieren kann.
Amnesty International hat im Februar 2017 dem Assad-Regime vorgeworfen, bis zu 13.000 Gefangene im Sednaya-Gefängnis "in einem industriellen Ausmaß hingerichtet und deren Leichen in einem Krematorium auf dem Gelände verbrannt zu haben".
"Dieses Verschwindenlassen von Menschen durch das Regime ist nicht neu in Syrien, das ist seit Jahrzehnten bekannt. Das ist ein Instrument der Regierung, um Opposition im Keim zu ersticken."
Seit April werden Totenlisten bekanntgegeben, in den vergangenen Wochen aber vermehrt, sagt unser Korrespondent. Teilweise wird den Hinterbliebenen der Opfer direkt per Dokument mitgeteilt, dass der Angehörige verstorben sei, oder sie werden darüber durch Offizielle persönlich informiert. In einigen Ortschaften sind Todesnachrichten auch öffentlich ausgehängt worden.
Bei den jetzt bekanntgegebenen Toten handele es sich um Regierungsgegner, die in den ersten Jahren des Konflikts verschwunden sind, nachdem sie beispielsweise an Demonstrationen teilgenommen haben, erklärt Carsten Kühntopp. Auf den Todesnachrichten stehe nur, dass der Angehörige verstorben sei und wann. Eine Erklärung, warum und wo der Mensch gestorben ist, fehle. Auch über den Verbleib des Leichnams werden die Hinterbliebenen nicht informiert.
Warum der syrische Machthaber diese Todeslisten jetzt veröffentlicht, könnte verschiedene Gründe haben. Unser Korrespondent vermutet, dass es auf der einen Seite darum gehe, ein Update des Bevölkerungsregisters durchzuführen.
Auf der anderen Seite ist die Veröffentlichung von Todeslisten eine Machtdemonstration Assads gegenüber der Bevölkerung, erklärt Carsten Kühntopp. Damit signalisiere er gegenüber den Oppositionellen, dass er der Sieger in diesem Konflikt sei und dass sich die Bevölkerung damit abfinden müsse, dass ihre Angehörigen - auf welche Art und Weise auch immer - zu Tode kamen.
"Es ist die Botschaft von Assad an sein Volk: Ich habe gewonnen, weiterer Widerstand ist zwecklos. Es ist eine Machtdemonstration, er sagt den Leuten damit letztlich: Ihr müsst euch damit abfinden."
Nach dem Konflikt: Keine Versöhnung möglich
Für die meisten Betroffenen sei es aber nicht möglich, diese Todesnachricht einfach so hinzunehmen, vermutet unser Korrespondent. Denn jetzt kommen die Fragen: Warum ist mein Vater, mein Sohn, meine Mutter, meine Tochter gestorben? Wer hat meinen Angehörigen getötet? Wo ist die Leiche? Und darauf werden sie keine Antworten bekommen.
"Es ist ganz klar: Assad wird nach dem Krieg mit denselben Methoden herrschen wie davor."
Für unseren Korrespondenten sind die Todesnachrichten aber auch ein Hinweis darauf, wie es in Zukunft in Syrien weitergehen wird: keine Aufklärung der Verbrechen, keine Aufarbeitung der Vergangenheit, dadurch letztlich auch keine Versöhnung. Für Carsten Kühntopp ist klar, dass Assad nach dem Krieg so weitermachen wird, wie davor.
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