SuchtverhaltenMänner saufen und Frauen kaufen
Jeder dritte Deutsche trinkt seit Beginn der Corona-Pandemie mehr Alkohol als zuvor. Zu diesem Ergebnis kommt das Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim. Besonders betroffen vom hohen Alkoholkonsum sind Männer, Frauen hingegen verfallen eher sozialen Netzwerken oder der Kaufsucht. Der Leitendende Oberarzt Bernd Lenz berichtet.
Wer diesen Vortrag im Hörsaal bei Deutschlandfunk Nova mitverfolgt, wird besser verstehen, warum bestimmte Menschen eher anfällig für Alkohol sind als andere. Zentraler Grund für die jeweilige Entwicklung in die ein oder andere Richtung ist mit hoher Wahrscheinlichkeit der unterschiedliche Testosteronspiegel, den Ungeborene bereits im Mutterleib entwickeln - zumindest bei den Männern. Der wiederum hängt damit zusammen, ob Frauen in der Schwangerschaft viel Alkohol trinken.
Aber auch andere Faktoren spielen eine Rolle. Wenn Mütter während der Schwangerschaft einem hohen Stresslevel ausgesetzt sind - beispielsweise durch finanzielle Sorgen, Trennung vom Partner oder Umzug - geben sie offenbar mehr Testosteron an ihre Kinder ab, als wenn sie weniger gestresst wären.
Frauen, die selbst alkoholabhängig werden, leiden öfter als Männer unter Ängsten und Depressionen. Nicht selten sind Erlebnisse aus früher Kindheit die Ursache.
"Ich bin erschreckt darüber, wie viele Frauen mit Alkoholabhängigkeit sexuelle Missbrauchserlebnisse in der Kindheit erfahren haben."
Männer hingegen fangen früher an zu trinken als Frauen und verhalten sich aggressiver und risikobereiter, so Suchtforscher Bernd Lenz. Sie trinken im Schnitt viermal so viel Alkohol am Tag wie Frauen. Doch obwohl Frauen in der Regel erst in einem späteren Lebensalter mit dem Trinken anfangen, werden sie schneller abhängig.
Zahlen zum Alkoholkonsum
Bernd Lenz nennt exakte Zahlen, die zum Nachdenken anregen: Jede/r Deutsche greift an jedem Tag - im durchschnittlichen Mittel - zu 0,389 Liter Bier, 0,08 Liter Wein und 0,028 Liter Schnaps. Und: Jeder 50. Mensch, der uns begegnet, leidet unter einer vorgeburtlichen Alkohol-Schädigung.
Diese Zahlen und Hintergründe zum Alkoholkonsum in Deutschland gab der Suchtforscher und Leitende Oberarzt an der Klinik für abhängiges Verhalten und Suchtmedizin in Mannheim, Bernd Lenz, bekannt. Er sprach auf Einladung der Mannheimer Abendakademie und des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit am 24. September 2020. Sein Thema lautete: "Sozialer und exzessiver Alkoholkonsum - ein Männerphänomen oder bei Frauen nur anders?"