Wie bei ZigarettenStudie zeigt: Schockbilder auf Süßigkeiten schrecken ab
Zu viel Zucker ist ungesund. Weniger davon zu essen, wäre also von Vorteil. Aber wie schaffen wir das? Laut einer Studie würden Schockfotos wie auf Zigarettenpackungen dabei helfen.
Karies, Adipositas, Gicht, Diabetes Typ 2 oder sogar Herz-Kreislauferkrankungen – das alles kann die Folge von zu viel Zucker sein. Das Problem ist eigentlich bekannt. Noch wird aber zu wenig dagegen getan. Bei Zigaretten hat es die Politik mit Schockbildern versucht. Warum nicht auch bei Süßigkeiten? Das haben sich Clara Mehlhose, Wissenschaftlerin aus der Abteilung Marketing für Lebensmittel und Agrarprodukte an der Uni Göttingen und ihre Kollegin Antje Risius gedacht. Mehr als 1.000 Probanden haben bei ihrer Studie mitgemacht.
"Also das Problem, dass wir einerseits haben, ist, dass der Zuckerkonsum viel zu hoch ist."
"Konsumiert werden 93 Gramm Zucker am Tag im Durchschnitt. Und empfohlen von der Weltgesundheitsorganisation sind ungefähr 50 Gramm. Also fast das Doppelte. Und das ist natürlich mit allen gesundheitlichen Konsequenzen, die damit einhergehen, viel zu hoch", sagt Clara Mehlhose.
Schockbilder mit Karies-Gebiss
Für ihre Studie haben sie und ihre Kollegin den Probanden online Produkte präsentiert: Klassische Gummibärchen zum Beispiel oder eine Vollmilch-Schokolade und darauf waren Warnhinweise aufgedruckt. Einmal nur Text, der vor den gesundheitlichen Folgen von zu viel Zucker warnt. Einmal ein rotes Stopp-Schild mit Text. Und dann: Schockbilder mit Text. Darunter ein verfaultes Karies-Gebiss oder ein Diabetes-Fuß – mit offenen und schlecht heilenden Wunden. Die Gummibärchen oder die Schokolade mit Schockbildern zu kaufen, dazu waren die wenigsten bereit. Clara Mehlhose sieht das als Erfolg.
"Es hat tatsächlich funktioniert. Warnhinweise in Kombination mit Schockbildern reduzieren die Kaufwahrscheinlichkeit von Süßigkeiten. Also ja, in unserer Online-Befragung hatte es einen Effekt."
"Und wir konnten sehen, dass diese Schockbilder, wie wir sie aus dem Tabakbereich kennen, besonders wirksam sind", so die Wissenschaftlerin. Sie meint, solche Bilder hätten einen abschreckenden Effekt und seien auch ein bisschen abstoßend oder eklig. "So schön sehen diese Bilder ja nicht aus – bei den Zigaretten ja auch nicht. Also ich glaube, das zieht schon einen Moment des Innehaltens nach sich und wirkt eben deshalb. Und ich denke ein Mechanismus könnte sein, dass wenn man vorm Supermarkt-Regal steht und diese Warnhinweise sieht, dass man denkt: 'Okay, ist es jetzt wirklich ne gute Idee?'“. Das wollte Deutschlandfunk-Nova-Reporter Mathias von Lieben dann auch mal selbst überprüfen.
"Ob ich im Rahmen einer Onlinestudie etwas gefragt werde, ist das eine. Wenn ich mit Heißhunger dann wirklich im Supermarkt stehe, das andere."
Und: Die Schockbilder auf Zigarettenpackungen haben bisher auch nicht zu einem krassen Umdenken geführt. Der Anteil junger Rauchender ist zuletzt sogar gestiegen, wie aus der Deutschen Befragung zum Rauchverhalten (DEBRA-Studie) hervorgeht. Also hat unser Reporter Leuten in der Fußgängerzone die Schockbilder auf den Süßigkeiten gezeigt. Bei einem Großteil hatten die Bilder allerdings keine abschreckende Wirkung.
Andere Länder mit Maßnahmen gegen Zuckerkonsum erfolgreich
Unser Gehirn hat eine ziemlich verhängnisvolle Beziehung zum Zucker, erklärt Deutschlandfunk-Nova-Reporter Mathias von Lieben: "Wir haben ja geradezu Heißhunger auf Süßkram. Er dient uns als Energielieferant oder um uns nach einem anstrengenden Tag zu belohnen. Schwer davon abzulassen." Schockbilder allein werden wohl nicht reichen, müssen sie aber auch gar nicht, meint Clara Mehlhose:
"Es kann nur ein kleines Puzzleteil in dem großen Ganzen sein, wie wir diesem zu großen Zuckerkonsum und den gesundheitlichen Folgen begegnen können. Es ist halt eine Möglichkeit. Aber viele kleine Möglichkeiten erreichen ja am Ende auch was Großes."
Andere Länder verzeichnen schon Erfolge: In Mexiko und Chile sind zuckerhaltige Produkte seit ein paar Jahren mit schwarzen Warntafeln versehen. Das hat den Zuckerkonsum dort um 25 Prozent reduziert, sagt das chilenische Gesundheitsministerium. In Großbritannien gibt es seit 2018 eine Zuckersteuer. Der Zuckergehalt in Softdrinks ist seitdem gesunken. Und weniger Kinder sind fettleibig geworden. Auch die Bundesregierung will den Zuckerkonsum reduzieren, setzt dabei aber auf freiwillige Maßnahmen der Lebensmittel-Industrie. Bisher mit mäßigem Erfolg.