StrategieDie AfD kann Tiktok – wer noch?

Die AfD boomt auf Tiktok. Vor den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen war sie dort laut einer Studie bei Erstwählern extrem erfolgreich. In einem Jahr ist Bundestagswahl: Was können die anderen Parteien auf Tiktok von der AfD lernen – was besser nicht?

Die Aktentasche von Bundeskanzler Olaf Scholz hat es zu einer gewissen Berühmtheit gebracht – auf Tiktok. Sie spielt eine der Hauptrollen in dessen Tiktok-Account. Eine ganz witzige Idee, doch bei weitem erfolgreicher auf der Plattform sind andere Inhalte: zugespitzter, polarisierender, aggressiver.

Eine Partei, die die Sprache von Tiktok perfekt zu sprechen scheint, ist die AfD. Sie ist dort erfolgreicher als alle anderen Parteien, hat aber auch schon früher als die meisten damit begonnen, sich auf Tiktok zu präsentieren und zu vernetzen.

"Wir wissen, dass Jugendliche in der Woche im Durchschnitt ungefähr neun AfD-Videos auf Tiktok ausgespielt bekommen."
Theresia Crone, unterstützt die Initiative #reclaimtiktok

Eine, die dagegen angehen will, ist Theresia Conte. Die Aktivistin engagiert sich bei Fridays for Future, hat aber auch die Initiative #reclaimtiktok mitbegründet, die das politische Spielfeld der Plattform nicht vorwiegend rechten oder extremen Parteien überlassen will. Denn AfD-Videos werden um ein vielfaches mehr auf Tiktok ausgespielt, als die Videos beispielsweise anderer Parteien, sagt sie.

Theresia Crone, engagiert sich für die Initiative #reclaimtiktok

Theresia will mehr demokratischen Content auf Tiktok holen. Dafür hat sie anfangs versucht, rechtsextreme Inhalte auf der Plattform selbst zu erklären, aufzuklären über juristische Hintergründe oder extremistische Parteien: "Ich habe aber gemerkt, das funktioniert gar nicht so gut", sagt sie rückblickend. Denn wer schon in einer rechtsextremen Blase ist, lässt sich davon nicht umstimmen oder beeindrucken.

"Und dann habe ich angefangen, Videos für die Leute zu machen, die sich eben nicht im extremistischen Spektrum befinden, sondern Leute, die quasi Freude an Demokratie haben, und die zu ermutigen."
Theresia Crone, unterstützt die Initiative #reclaimtiktok

Theresia hat also ihre Strategie auf Tiktok geändert. Und sie meint: "Das war auch ein bisschen frustrierend zu lernen, dass man nur mit konstruktiven Argumenten und mit dieser Debattenkultur, die man in der Schule lernt, gar nicht unbedingt mehr Menschen erreicht."

Den Mut haben, positive Themen zu setzen

Warum die AfD-Inhalte so gut auf Tiktok funktionieren, weiß Politikberater Martin Fuchs, der seit 15 Jahren Politiker für Social Media fit macht, und er zählt einige der Gründe auf:

  • Die AfD hat einen zeitlichen Vorsprung von etwa vier Jahren. Sie hat schon Tiktok gemacht, als andere nur zugeschaut haben und sich so einen Erfahrungsvorsprung gesichert.
  • Die AfD hat eine große Anzahl von Accounts, die untereinander vernetzt sind und sich supporten.
  • Es gibt eine "klare Wesensverwandtschaft" zwischen den Erfolgskriterien von Tiktok und populistischen Botschaften.
  • Und: Die AfD hat den Fokus ganz klar auf die junge Zielgruppe in Tiktok gelegt, und die spricht sie konsequent an.
"Das heißt, etwas, das immer zugespitzt ist, das polarisiert ist, das auf die Zwölf geht, wo man vielleicht noch jemanden angreift, das funktioniert natürlich immer super und ist unterhaltsam."
Martin Fuchs, Politikberater

Die AfD macht strategisch also einiges richtig, dagegen machen die anderen Parteien viele Fehler und können so nur schwer bei Tiktok aufholen, meint der Politikberater: Beispielsweise hätten viele nicht verstanden, dass Zweit- und Drittverwertung von anderen Plattformen bei Tiktok nicht funktionieren. Man habe keine Dialoge auf Tiktok gepflegt und inhaltlich habe man sich zu lange an der AfD abgearbeitet und diese so nur noch stärker gemacht.

"Man muss den Mut haben, Emotionen einzusetzen. Und das soll nicht populistisch sein. Also den Fehler sollte man nicht machen. Und das erlebe ich teilweise schon."
Martin Fuchs, berät Parteien für deren Tiktok-Auftritte

Den demokratischen Parteien gibt Martin Fuchs den Tipp, Emotionen gezielt einzusetzen, jedoch ohne dabei den Populismus der AfD zu kopieren. "Vielleicht auch das zeigen, was schon gut funktioniert in diesem Land! Das vergisst man gerne in all diesen Krisendiskursen, in denen wir gerade leben."