Nitrat, Ammoniak und CoStickstoff: Die Dosis macht das Gift
Brombeeren, Brennnesseln und Grundwasser: Stickstoffverbindungen haben auf alle drei einen schlechten Einfluss. Unsere Reporterin hat sich dieses Umweltproblem genauer angesehen.
Stickstoff und seine chemischen Verbindungen sind eigentlich meist ungefährlich. Allerdings wird seit rund 100 Jahren durch den Menschen zu viel davon freigesetzt. Im Bundestagswahljahr hat Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) nun noch ein Gesamt-Stickstoffziel für das Jahr 2030 ausgegeben. Das Problem mit den reaktiven Stickstoffverbindungen hat sich Deutschlandfunk-Nova-Reporterin Anne Preger genauer angesehen. Sie nennt beispielhaft drei Bereiche:
- Hohe Nitratwerte im Grundwasser gehen auf ausgespülte Stickstoffverbindungen zurück. Sie sind ganz wesentlich auf Kunstdünger und Gülle von Feldern zurückzuführen. Ein Effekt: Wegen der aufwendigen Aufbereitung wird das Trinkwasser teurer.
- Stickoxide aus Auspuffen und Schornsteinen – also als Ergebnis von Verbrennungsprozessen – sind für Menschen unmittelbar ungesund und verkürzen die Lebensdauer.
- Ammoniak aus Ställen und aus Gülle – wird zusammen mit Stickoxiden auch über Luft in Natur geweht. Ergebnis: Überdüngung der gesamten Umgebung. Daraus ergeben sich Probleme unter anderem für Moore und Wälder. Pflanzenarten, die mit hohen Stickstoffwerten umgehen können, breiten sich übermäßig aus.
Anne nennt beispielsweise Brombeeren und Brennnesseln. Sie spricht von einer McDonaldisierung der Wälder. Andere Arten – man könnte sie Hungerkünstlerarten nennen – die bei knappem Stickstoffangebot besser überleben können, werden hingegen verdrängt.
Anne Preger verweist auf eine aufwendige Untersuchung dieses künstlichen Nährstoffreichtums, wonach die Artenvielfalt stark zurückgehe. "Sehr viele Wälder, die aus der Luft unabsichtlich gedüngt werden, gleichen sich bei den Pflanzenarten an."
Mehr Stickstoff, weniger Dorsch
Weltweit betrachtet führt Stickstoffüberdüngung auch zu übermäßiger Algenblüte im Meer. Sehr sauerstoffarme, tote Bereichen im Meer sind ein sichtbares Ergebnis. Eine Entwicklung, die insbesondere in der Ostsee zu beobachten ist. Der Rückgang des Dorschbestands dort ist wohl auch auf die Überdüngung der Ostsee durch Stickstoffeinträge über Flüsse zu erklären.
"Wenn die Algen verrotten, entziehen sie dem Wasser Sauerstoff. Das Ergebnis: große Todeszonen im Meer."
Manche Stickstoffverbindungen werden in der Umwelt durch Mikroben in Lachgas umgewandelt. Anne sagt: "Das ist ein super wirksames Treibhausgas. Damit heizen wir die Erde an. Und es zerstört auch noch die schützende Ozonschicht. "
Wissenschaftlicher Konsens ist, dass Überdüngung mit Stickstoff ein unterschätztes Umweltproblem ist. Die Folgekosten für Umweltverschmutzung und Gesundheitsfolgen werden allein in der Europäischen Union auf jährlich 70 bis 320 Milliarden Euro geschätzt.
Reduktion um ein Drittel reicht eigentlich nicht
Laut Umweltbundesamt müssten bis 2030 ein Drittel weniger schädliche Stickstoffverbindungen jährlich freigesetzt werden. Vergleichsjahr dafür wäre 2015. In diesem Jahr waren es rund 1,5 Millionen Tonnen. Ziel wäre also bis 2030, dass es höchsten eine Million Tonnen Stickstoffverbindungen jährlich sind.
Bundesumweltministerin Svenja Schulze hat bei der Weltstickstoffkonferenz in Berlin selbst gesagt, das reiche eigentlich immer noch nicht. Anne findet, dass sie aus wissenschaftlicher und aus politischer Sicht Recht hat. Mit der Colombo Declaration von 2019 hatten sich die zeichnenden Länder festgelegt, die ungewollten Stickstoff-Emissionen bis 2030 zu halbieren. Dazu müsste Deutschland als Groß-Emittent einen deutlicheren Beitrag leisten.
"Da Deutschland da als Industrieland die Erde ordentlich überdüngt –die Bundesrepublik sollte sich da ehrgeizigere Ziele setzen."
Auch Einzelne könnten helfen, die Stickstoffemissionen zu reduzieren. Anne sagt: "Die größte Stellschraube ist die Ernährung. Weniger tierische Produkte essen hilft extrem. Weil bei der Tierhaltung und dem Anbau von Tierfutter viel Stickstoff ungewollt in die Umwelt kommt."