Sechs Jahre nach Diesel-SkandalStickoxid-Ausstoß immer noch zu hoch – Luft insgesamt aber besser
Eine neue Untersuchung der Deutschen Umwelthilfe kommt zum Schluss, dass viele Autos immer noch nicht die Stickoxid-Grenzwerte einhalten. Selbst neu zugelassene Fahrzeuge seien zu dreckig. Insgesamt hat sich die Situation aber verbessert.
Vor sechs Jahren gab es in Deutschland den sogenannten Diesel-Skandal: Dutzenden Fahrzeugmodellen wurde nachgewiesen, dass sie real deutlich mehr Stickoxide ausstoßen als die Grenzwerte es zulassen. Teilweise waren sie mit einer bestimmten Software ausgestattet, die erkannte, wann ein Auto auf dem Teststand steht und wann auf der Straße fährt. Ist letzteres der Fall, wird die Abgasreinigung reduziert, damit zum Beispiel weniger Kraftstoff verbraucht wird oder die Beschleunigung besser ist.
Jetzt, sechs Jahre später, könnte man meinen, dass die Autos nachgebessert wurden beziehungsweise neu zugelassene Modelle die aktuellen Grenzwerte einhalten. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat selbst Untersuchungen durchgeführt und kommt zum Schluss: Immer noch überschreiten Millionen Autos in Deutschland die Stickoxid-Grenzwerte.
"Wir haben dem Bundesverkehrsministerium und dem Kraftfahrtbundesamt mit fast 200 gemessenen Fahrzeugmodellen und etwa 2.450 Einzelmessungen zahlreiche Belege für rechtswidrige Grenzwertüberschreitungen für Stickoxid geliefert."
Stickoxide gelten als gesundheits- und umweltgefährdend. Laut Umweltbundesamt schädigen sie "die Gesundheit von Mensch, Tier und Vegetation in vielfacher Weise, belasten Flüsse, Seen und Meere sowie den Boden und das Grundwasser."
Die Messungen der DUH wollen massive Grenzwertüberschreitungen belegen, unter anderem von Millionen Fahrzeugen aus dem VW-Konzern. So offenbare die Messung eines Audi A5 3.0 TDI einen realen Stickoxid-Ausstoß von durchschnittlich 2.355 Milligramm pro Kilometer – das wäre eine Überschreitung des Grenzwertes um mehr als das 13-fache.
Auch Fahrzeuge, die ein freigegebenes Software-Update erhalten haben, überschreiten laut den aktuellen DUH-Messungen den Grenzwert um das bis zu fünffache, so etwa der Mercedes Viano 2.2 CDI 4matic. Das im Juli 2019 zugelassene Wohnmobil-Basis-Fahrzeug Fiat Ducato überschreitet den geltenden Stickoxid-Grenzwert laut DUH um das 16-fache.
Vorwurf ans Kraftfahrtbundesamt
Warum der Fiat Ducato überhaupt zugelassen wurde, hat das Kraftfahrtbundesamt auf Anfrage des Magazins "Der Spiegel" damit beantwortet, es hätte in Italien, dem Fiat-Heimatland, erfolglos interveniert. Am Ende würde weitere Schritte, die zu einer Nicht-Zulassung hätten führen können, aber der Europäischen Kommission vorbehalten sein.
Die Deutsche Umwelthilfe wirft dem Kraftfahrtbundesamt vor, zu nachlässig zu sein – womöglich, weil es im Wettbewerb mit anderen Zulassungsstellen steht, die gegen Gebühr neue Automodelle zulassen. Außerdem fordert es das Bundesverkehrsministerium auf, dafür zu sorgen, dass alle Fahrzeuge, die die Stickoxid-Grenzwerte überschreiten, von den Herstellern kostenlos mit entsprechender Hard- und Software nachgerüstet werden.
Verantwortlich für 38.000 vorzeitige Todesfälle
Eine Studie des International Council on Clean Transportation and Environmental Health Analytics (ICCT) kommt zum Schluss: Weltweit hätten im Jahr 2015 4,6 Millionen Tonnen Stickoxide eingespart werden können, wenn die Grenzwerte eingehalten worden wären. Allein diese zusätzliche Menge soll für etwa 38.000 vorzeitige Todesfälle verantwortlich sein.
Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt Stickoxid-Richtwerte, die nur ein Viertel der aktuellen EU-Grenzwerte betragen.
Womöglich hat sich das Thema Stickoxide durch Diesel-Fahrzeuge in Zukunft aber sowieso bald erledigt: Bereits in der ersten Hälfte 2021 wurden in Deutschland mehr Elektro- als Dieselfahrzeuge zugelassen.
"Im Jahr 2016 wurden in 90 Städten die Stickoxid-Grenzwerte überschritten. 2021 sind es noch drei Städte."
Trotz der häufigen Grenzwert-Überschreitungen durch Diesel-Fahrzeuge sind die Stickoxid-Emissionen insgesamt stark gesunken. Hat der Verkehr in Deutschland im Jahr 1990 laut Umweltbundesamt noch rund 1400 Tonnen Stickoxid ausgestoßen, waren es im Jahr 2019 rund 480 Tonnen. Auch die Energiewirtschaft und das verarbeitende Gewerbe hat den Stickoxid-Ausstoß stark reduziert.
Laut Umweltbundesamt wurden im Jahr 2016 in 90 Städten in Deutschland die Stickoxid-Grenzwerte überschritten, im Jahr 2021 waren es noch drei Städte. Ute Dauert vom Umweltbundesamt betont: Das liegt aber nicht nur an den insgesamt saubereren Pkw, sondern auch Maßnahmen der Kommunen, die etwa ihre Busflotten erneuert oder Durchfahrtsverbote erlassen haben. Ute Dauert sagt aber auch: Die Deutsche Umwelthilfe hat Recht, wenn sie darauf hinweist, dass immer noch viele Autos die Stickoxid-Grenzwerte überschreiten.
Nicht nur die Emissionen von Stickoxid sind trotzdem zurück gegangen, auch die Luftqualität insgesamt hat sich in den vergangenen Jahren verbessert. "Wir messen die Schadstoffkonzentration in der Luft an ungefähr 500 Messstellen in Deutschland", sagt Ute Dauert. "Sehr positiv ist: Die Qualität der Luft ist deutlich besser geworden."