UrteilVerfassungsgericht erlaubt "geschäftsmäßige" Sterbehilfe
Vereine und Ärzte durften in Deutschland bisher keine Sterbehilfe anbieten. Das Bundesverfassungsgericht hat dieses Verbot jetzt gekippt. Die Begründung: Andere Sterbehilfe sei faktisch nicht möglich.
Das Bundesverfassungsgericht hat das Verbot der geschäftsmäßigen Beihilfe zum Suizid für verfassungswidrig erklärt - und damit den Paragrafen 217 des Strafgesetzbuchs, der seit dem Jahr 2015 in Kraft ist. In ihm heißt es:
"Wer in der Absicht, die Selbsttötung eines anderen zu fördern, diesem hierzu geschäftsmäßig die Gelegenheit gewährt, verschafft oder vermittelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft."
Das bedeutet: Angehörige, die beim Suizid helfen, können straffrei bleiben - Ärzte oder Vereine, die das regelmäßig tun aber nicht.
Über den eigenen Tod frei entscheiden
Genau darum hatten Patienten, Sterbehelfer und auch Ärzte gegen das Verbot geklagt. Sie sagen: Wenn schon jemand beim Suizid helfen darf, dann doch besser jemand, der sich damit auskennt.
"Viele Leute haben gesagt: 'Das ist ja eigentlich Quatsch! Wenn irgendjemand einem Menschen helfen sollte bei Suizid, dann sollten das Ärzte tun und nicht irgendwelche Laien."
Das Bundesverfassungsgericht hat den Klägern Recht gegeben. "Das Gericht sagt, laut Gesetz muss jeder Mensch über seinen Tod frei entscheiden dürfen", erklärt Wissenschaftsjournalist Felix Hütten - das sei "bemerkenswert", weil es prinzipiell für alle gelte.
"In der Urteilsbegründung ist formuliert, dass das nicht nur für todkranke oder für von Schmerzen gequälte Patienten gilt, sondern im Prinzip eigentlich für jeden Menschen."
Die Kritik an dem neuen Urteil ist sehr laut - einige befürchten, dass der assistierte Suizid nun quasi zu einer Art Therapie werde, berichtet Felix Hütten. In Berlin ist man sich einig darüber, dass jetzt gesetzliche Neuregelungen notwendig sind. Doch wie genau der Gesetzgeber die Suizidhilfe nun regulieren wird, bleibt abzuwarten.
Vermutlich hohe Hürden für assistierten Suizid
"Der Gesetzgeber wird vermutlich sehr hohe Hürden formulieren", meint Felix Hütten. Diskutiert würden zum Beispiel eine Beratungspflicht und eine Art "Wartepflicht", also ein Zeitraum, der zwischen dem Wunsch zu sterben und dem Suizid steht. Eins ist nach aber klar: Verboten werden darf die Sterbehilfe nicht mehr.
Hilfe von Verein "letzter Schritt"
Das neue Urteil erfüllt nun beispielsweise die Forderungen des Vereins "Sterbehilfe Deutschland" des ehemaligen Politikers Roger Kusch. Er sagt: Menschen, die unheilbar und schwer krank sind, würden nicht durch das Angebot der Sterbehilfe motiviert, sich mit dem Suizid zu befassen.
Das Angebot des Vereins stünde am Ende eines Prozesses, in dem die Betroffenen sich entschließen, ihrem Leben jetzt oder womöglich in Zukunft ein Ende zu setzen.
"Wir haben es noch nie erlebt, dass ein sterbewilliger Mensch unter Druck gesetzt wurde, zum Beispiel von Angehörigen. Das ist noch nie passiert."
Meldet sich ein Sterbewilliger bei dem Verein und bezahlt die nötigen Beiträge (200 Euro jährlich oder eine Einmalzahlung von mindestens 2000 Euro), muss er einen Fragebogen ausfüllen. Nach einem Beratungsgespräch mit einem Vereinsmitarbeiter und einer ärztlichen Untersuchung kann schließlich ein Medikamenten-Mix an einem Sterbehelfer übergeben werden.
Hilfe im Notfall
Wenn du selbst von Suizidgedanken betroffen bist, versuche, mit anderen darüber zu sprechen. Das können Freunde oder Verwandte sein, müssen es aber nicht. Es gibt eine Vielzahl von Hilfsangeboten, bei denen du - auch anonym - mit anderen Menschen sprechen kannst. Eine Übersicht der Angebote findest du zum Beispiel bei der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention.
Sofortige Hilfe erhältst du rund um die Uhr bei der Telefonseelsorge unter der kostenlosen Rufnummern 0800 - 111 0 111 und 0800 - 111 0 222. Und im Internet unter www.telefonseelsorge.de.