Letzte Zeche schließtEnde des Steinkohlebergbaus: Was vom Kumpelgefühl bleibt
Nach 200 Jahren Steinkohleförderung schließt die letzte Zeche Prosper-Haniel in Bottrop. Der Bergbau hat das Steinkohlerevier und die Menschen geprägt. Die gefährliche Arbeit unter Tage forderte Verbindlichkeit und Zuverlässigkeit: Wir haben mit Nikolai Ingenerf vom Deutschen Bergbaumuseum darüber gesprochen, was von der Kumpel-Kultur bleibt. Er sagt: Die Aussage "Es wird nie wieder wie früher" ist ein zweischneidiges Schwert.
Mit viel Tamtam wird die Schließung der letzten Zeche Prosper-Haniel in Bottrop gefeiert: NRW-Ministerpräsident Armin Laschet, selbst Sohn eines Bergmanns aus dem Aachener Revier, EU-Kommissionpräsident Jean-Claude Junker und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier werden bei den Feierlichkeiten dabei sein. Dabei hat der Rückgang der Steinkohleindustrie vor über einem halben Jahrhundert begonnen.
"Das Zechensterben begann schon vor über einem halben Jahrhundert. Jetzt ist es eben das Ende vom Ende, wenn dann die letzte Zeche schließt."
Das endgültige Aus für den subventionierten Steinkohleabbau wurde 2007 beschlossen. Seitdem haben die Unternehmen Personal abgebaut und die Kumpel in die Frührente geschickt. In der Spitze haben 600.000 Menschen im Bergbau gearbeitet. Übrig geblieben sind heute ein paar Tausend, Ende des Jahres werden es nur noch ein paar Hundert sein, die in den nächsten Jahren vor allem mit dem Abbau der Zeche Prosper-Haniel beschäftigt sein werden.
Dabei werden sie aus der Zeche auch hochmoderne Maschinen hochholen, die ins Bergbaumuseum nach Bochum gebracht werden. Auf der Zeche liegen schon mehrere Zehntausende Tonnen Beton bereit, der dann in die Gruben verfüllt wird.
Strukturwandel im Revier fast abgeschlossen
Der Wandel im Revier hat ebenfalls vor Jahrzehnten begonnen. Die jüngeren Kumpels haben in der Region Jobs gefunden, da ihre technischen Berufe auch in anderen Bereichen gefragt sind. Im Ruhrgebiet haben sich viele Hochschulen angesiedelt – es ist heute ein großer Universitätsstandort. Hunderttausende von Studenten leben mittlerweile dort.
Starke Werte im Revier
Das ist aber nur der äußere Wandel. Bekannt ist das Steinkohlerevier auch für seine Kumpel-Mentalität, die Verlässlichkeit und Verbindlichkeit, die unter Tage für das Überleben notwendig waren – unter Tage mussten sich die Kumpel aufeinander verlassen können. Dabei spielte es keine Rolle, woher die Kumpel kamen. "Die große Frage, die über diesem Zechenende schwebt: Bleiben diese Werte? Oder wird das Folklore werden?", fragt Dlf-Landeskorrespondent Moritz Küpper.
"Dieses Zusammengehörigkeitsgefühl, worüber sehr viele Beteiligte sprechen, ist das, was den Steinkohlebergbau auszeichnet und was präsent bleibt."
Menschen, die in der Steinkohlebranche erst vor ein paar Jahren angefangen haben zu arbeiten oder vor Kurzem erst ihre Ausbildung abgeschlossen haben, haben dieses Zusammengehörigkeitsgefühl, das so prägend ist im Steinkohlebergbau, schon verinnerlicht, sagt Nikolai Ingenerf vom Deutschen Bergbaumuseum.
"Diese Identifikation mit einer ganzen Branche ist für Außenstehende eine beeindruckende Geschichte."
In den meisten Steinkohlerevieren ist der Bergbau längst Geschichte und gerade in der jüngeren Generation löst die Schließung der letzten Zeche eher Erstaunen aus, weil die Menschen dachten, dass bereits alle geschlossen seien, erzählt Nikolai Ingenerf.
"Lange Zeit hat der Vater zum Sohn gesagt: 'Du gehst nicht auf die Zeche!'"
Diese Aussage: "Es wird nie wieder wie früher", sei ein zweischneidiges Schwert. Lange Zeit hätten Väter ihren Söhne eher verboten, auf der Zeche zu arbeiten, erzählt Nikolai Ingenerf. Von daher sei der Job als Kumpel gar nicht mehr begehrt gewesen. Erst in den letzten Jahren habe sich die Einstellung gewandelt, weil die Ausbildung im Bergbau sehr gut sei und auch die Gefahren nicht mehr so groß seien. Die Berufe, die im Bergbau ausgebildet werden – wie Mechatroniker – sind auch in anderen Branchen gefragt.
"Der Bereich, der immer so ein bisschen ausgeklammert wird, sind die hohen Unfallzahlen, die den Bergbau letztlich bis Anfang der 90er Jahre hinein geprägt haben."
Der Steinkohlebergbau ist eine Branche, die mit hohen Unfallzahlen zu kämpfen hatte, sagt Nikolai Ingenerf. Das würde im Nachhinein gerne ausgeblendet.
Was vom Bergbau bleibt
Ausgeblendet werden auch gerne die Ewigkeitslasten. Diese werden auch in der Zukunft noch Herausforderungen an die Region stellen, auch wenn der Steinkohlebergbau längst abgewickelt ist. Zum Beispiel muss noch Grubenwasser abgepumpt oder Flüsse teilweise umgepumpt werden, weil die ganze Region heute nur ein bisschen tiefer liegt als früher. Deshalb müssten Flussläufe berichtigt werden. Wirtschaftlich wird das die Region in den nächsten Jahren noch belasten.
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