Standort teilenWenn andere uns ständig tracken können
Kontrollverlust oder Vertrauensbeweis: Manche Menschen haben gar kein Problem damit, wenn andere immer wissen, wo sie sich aufhalten. Andere dagegen finden so was überhaupt nicht okay. Richard teilt seinen Standort gerne. Worauf wir dabei achten müssen, erklärt Anna Biselli, Co-Chefredakteurin bei netzpolitik.org.
Wenn wir abends unterwegs sind, auf einem Festival, bei einer Demo... – es gibt viele Situationen, in denen es praktisch sein kann, den eigenen Standort mit Freunden zu teilen. Manche machen das nicht nur einen Abend lang, sondern sogar dauerhaft.
So wie Richard: Er teilt seinen Standort mit Freunden von der Uni, um zu wissen, ob sie gerade in der Nähe sind. Aber auch mit Freunden, die weiter weg leben. Vielleicht sind sie ja zufällig gerade in Richards Heimatstadt Berlin oder irgendwo im Urlaub. "Die erste Frage, wo bist du gerade, kann man sich dann sparen", sagt er.
Zufallsbegegnung mit dem Bruder
Auf die Idee kamen er und seine Freunde im Urlaub in Prag: "Wenn wir uns verlieren, wäre es doch gut, wenn wir gegenseitig den Standort haben." Das war praktisch, also haben sie nach dem Urlaub nicht damit aufgehört. Später kamen noch einige Leute dazu. Heute teilt Richard seinen Standort dauerhaft mit rund zehn Leuten.
Aus einer schwierigen Situation habe die Funktion ihn zum Glück noch nie gerettet. Aber es gab schöne Momente, erzählt er: Er war mit Freunden abends unterwegs, sein Bruder unabhängig von ihm auch. "Plötzlich stand er neben mir in einer Schlange vor einem Club. Er meinte, sie waren gerade in der Nähe und dachten, sie sagen mal Hallo. Für solche zufälligen Begegnungen ist es ganz cool."
"Wenn wir uns verlieren, wäre es doch gut, wenn wir gegenseitig den Standort haben."
Richard macht sich keine Sorgen, was seine Privatsphäre angeht. "Das sind so enge Freunde, denen ich eh sagen würde, wo ich bin. Vor denen habe ich keine Geheimnisse."
Der Student ist single. Aber würde er seinen Standort auch in einer Beziehung teilen? Darüber hat er bislang nicht nachgedacht. "Aber ja, wahrscheinlich schon."
Er kann allerdings Bedenken nachvollziehen, dass das zu Missverständnissen führen kann. "Aber gerade eine Beziehung basiert ja auf Vertrauen. Ich habe kein Problem damit, immer zu sehen, wo andere sind oder dass andere sehen, wo ich bin."
Richard hat wenig Datenschutzbedenken
Was den Datenschutz beim Standortteilen angeht, hat Richard wenig Bedenken. "Das passiert ja auch über Social-Media-Apps", sagt er.
Anna Biselli, Co-Chefredakteurin von netzpolitik.org, hat noch nie mit jemandem ihren Standort geteilt, sagt sie. "Ich habe auch ganz, ganz selten die Standortfunktion an." Aber sie kann verstehen, dass das in vielen Situationen praktisch sein kann.
GPS-Standort teilen: Nicht über Drittanbieterapps
"Das können alle selbst entscheiden. Aber man sollte sich bewusst sein, was mit den Daten passiert." Anna Biselli hat deshalb einen Rat: "Wenn ich das machen will, sollte ich in den Einstellungen schauen: Was habe ich zum Beispiel Google erlaubt, mit den Standortdaten zu machen." Oft gehe es vor allem um personalisierte Werbung, der man zustimmen oder widersprechen kann.
Noch seltener ist Nutzerinnen oder Nutzern bewusst, dass auch andere Apps im Hintergrund diese Daten benutzen – zum Beispiel vorinstallierte Wetterapps. "Die sind auf den ersten Blick praktisch, aber viele dieser Apps teilen den Standort mit Werbetreibenden, dann verliere ich die Kontrolle darüber." Warum vorinstallierte Wetter-Apps außerdem eher unzuverlässig sind, erfahrt ihr hier.
"Es tut jedem gut, mal zu schauen, ob man in den Einstellungen noch irgendwo ein Häkchen setzen oder wegmachen kann."
Anna Biselli warnt: Selbst wenn die Daten anonymisiert sind, lassen sich Personen identifizieren, das hat eine aktuelle Recherche von netzpolitik.org ergeben. Wo Personen arbeiten, wo sie leben, zu welchen Ärzten sie gehen, ob sie mal im Bordell waren. "Das sind vielleicht Informationen, die man nicht die ganze Zeit über in die Welt pusten will."
Manche teilen Standortdaten auch dauerhaft über Social Media, zum Beispiel Snapchat. Doch das kann Monate oder auch Jahre später zum Problem werden, sagt Anna Biselli. Therapiestunden, an Demos teilnehmen, welche Ärzte man besucht: "Sowas zu überschauen, ist sehr schwierig. Sowas kann auch später noch gegen einen verwendet werden."
Forderung: Apps sollen informieren, wenn sie Daten weitergeben
Anna Biselli hat deshalb eine klare Forderung: Im Hintergrund Standortdaten abgreifen und weiterverkaufen, sollte verboten sein. "Das tut niemandem gut außer der Werbeindustrie." Doch da ein Verbot aktuell nicht realistisch ist, sollten Apps Nutzerinnen und Nutzer zumindest klar darüber informieren – und zwar jedes Mal, wenn Daten übermittelt werden.
Die Journalistin hat Tipps an alle, die trotzdem den eigenen Standort teilen möchten, ob vorübergehend oder dauerhaft: "Man sollte keine Drittanbieterapps für sowas nutzen. In den meisten Betriebssystemen gibt es eine Funktion dafür." Und sie rät, grundsätzlich in den Einstellungen zu überprüfen, was man seinem Smartphone schon erlaubt. "Es tut jedem gut, mal zu schauen, ob man noch irgendwo ein Häkchen setzen oder wegmachen kann."
Was macht es mit uns, wenn wir dauerhaft den Standort teilen?
Neben den technischen Bedenken fragt sich Anna Biselli auch, was es mit uns macht, wenn wir dauerhaft unseren Standort teilen. Denken wir etwa darüber nach, was der Freundeskreis denkt, wenn wir die Funktion mal ausschalten? Wenn man Handlungen dahingehend anpasse, sei irgendetwas nicht ganz richtig, findet sie.
Außerdem gewöhne man sich dadurch daran, dass Menschen etwas über den eigenen Aufenthaltsort wissen. "Ich weiß nicht, ob das so gut ist in einer Gesellschaft, in der Menschen sich frei entfalten sollen."