Spuren im NetzNichts ist anonym

Datenschutz im Netz ist nervig - aber leider unabdingbar, wenn wir einen Rest unserer Privatsphäre bewahren wollen. Das hat jetzt mal wieder eine neue Recherche bewiesen.

Beim Thema Datenschutz fühlen sich die meisten von uns überfordert. Wir alle leiden an security fatigue, an Computersicherheitsmüdigkeit, sagt eine Studie. Das heißt, wir wollen eigentlich am liebsten gar nichts mehr über neue Viren, Trojaner und Sicherheitsprobleme hören. Aber leider können wir es euch an dieser Stelle nicht ersparen, euer Gefühl der Überforderung und Verunsicherung noch weiter zu vergrößern. Denn das NDR-Magazin Panorama hat eine große Recherche über die Datenspuren gemacht, die wir täglich im Netz hinterlassen und was sie über uns verraten.

Dazu haben sich die Panorama-Reporter mit dem NDR-Medienmagazin Zapp zusammengetan und eine Fake-Firma gegründet. Und dieser Firma, die angeblich in Big Data machte, wurde prompt von mehreren Firmen Daten über unser Surfverhalten angeboten. Die Reporter haben dann ein Paket von zehn Milliarden Internetadressen gekauft. Und dann haben sie die Zugriffe von drei Millionen Deutschen auf diese Adressen im Monat August ausgewertet.

"Die NDR-Recherche hat zum Beispiel jemanden gefunden, der auf sadomasochistischen Seiten gesurft ist - und den konnten sie als Richter identifizieren."
Netzautorin Martina Schulte

Es wird ja immer behauptet, die Daten, die wir beim Surfen im Netz hinterlassen, seien anonymisiert. Den NDR-Reportern ist es aber gelungen, mehr als 50 Nutzer persönlich zu identifizieren. Sie fanden zum Beispiel jemanden, der auf sadomasochistischen Seiten gesurft war und den sie als Richter identifizieren konnten. Bei einer anderen Person fanden sie Details zu einer laufenden Ermittlung durch die Polizei. Außerdem entdeckten sie interne Umsatzzahlen eines Medienunternehmens, Internetsuchen zu Krankheiten, Prostituierten und Drogen. Bei einem Hamburger Manager fanden sie sogar einen Link zu seinem Cloud-Speicher. Und dort hatte er für einen Hauskauf Kontoauszüge, Lohnabrechnungen und eine Kopie des Personalausweises aufbewahrt.

Der Hintergrund: Wir alle hinterlassen wie Hänsel und Gretel im Wald, im Netz eine Datenspur aus Cookies. Erhoben werden die Daten unter anderem durch sogenannte Browser-Erweiterungen. Diese kleinen Zusatzprogramme verwalten zum Beispiel Downloads oder prüfen die Sicherheit von Webseiten. Die Browsererweiterung Web of Trust dient etwa als Add-on eigentlich dazu, sicher durchs Netz zu surfen. Die Erweiterung prüft die Seiten, die wir im Netz besuchen und verrät anhand einer roten, gelben oder grünen Ampel, wie vertrauenswürdig sie sind. Der Slogan der Firma lautet: "Finden Sie sofort heraus, welchen Websites Sie vertrauen können." Doch wer das installierst, übermittelt im Hintergrund auch alle von ihm besuchten Seiten an einen Server im Ausland. Dort werden die Daten gesammelt und zu Nutzerprofilen gebündelt. Diese Datensätze werden dann zum Beispiel an die Werbeindustrie verkauft, die uns dann mit passgenauer Werbung beschießt.

In Deutschland dürfen personalisierte Daten ohne Zustimmung weder erhoben noch gespeichert werden. Aber: Wenn die Firmen im Ausland sitzen, können wir nichts dagegen tun. Der NDR hat recherchiert, dass unsere Daten in riesigen Datenpaketen landen, die von Zwischenhändlern, zum Beispiel aus Israel, vertrieben werden oder von Briefkastenfirmen in Panama oder auf den Britischen Jungferninseln.

Datenpakete im Ausland

Und wer jetzt denkt: So eine Browsererweiterung würde er nie herunterlanden - auch Google hat gerade still und heimlich seine Firmenpolitik geändert: Bisher hatte Google in seinen Nutzungsbestimmungen festgelegt, dass die Daten, die ein Nutzer beim Browsen im Internet hinterlässt, nicht mit persönlichen Daten kombiniert werden dürfen. Aber seit vergangener Woche ist das erlaubt. Was laut der amerikanischen Pro-Publica-Stiftung zur Folge hat, dass Google unser Surfverhalten im kompletten Internet aufzeichnen und mit den persönlichen Daten kombinieren kann.

Die gute Nachricht: Es gibt eine kleine versteckte Einstellung, mit der ihr das an- oder abstellen könnt. Einfach die Aktivitätseinstellungen aufrufen und dann Web- & App-Aktivitäten auswählen. Dort könnt ihr den Haken setzen oder wieder entfernen.