Genderinklusive SpracheSprachkampf: Warum Gendern so emotionalisiert

In einigen Bundesländern ist Gendern mittlerweile teilweise verboten. Die Linguistin Carolin Müller-Spitzer erklärt, warum das Thema so emotional diskutiert wird und prüft die Argumente für die Verbote.

Bayern und Sachsen haben 2024 sogenannte Genderzeichen, also Doppelpunkt, Gendersternchen, Unterstrich und Binnen-I in Behörden, Schulen und Hochschulen verboten. In Baden-Württemberg, Hessen, Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt gibt es ebenfalls Einschränkungen.

Das Gendern bietet ideale Voraussetzungen für einen Sprachkampf, sagt Carolin Müller-Spitzer. Sie ist Linguistin am Leibniz-Institut für Deutsche Sprache und unsere Rednerin im Hörsaal.

"Genderzeichen sind metapragmatische Zeichen. Es geht um Signale der Sympathie und des Respekts, der Wertschätzung und Höflichkeit."
Carolin Müller-Spitzer, Linguistin

In ihrem Vortrag vergleicht Carolin Müller-Spitzer den Sprachkampf um das Gendern mit einem anderen Sprachkampf, und zwar dem um die Worte "schwul" und "lesbisch" in den 1980er Jahren. In ihrem Vortrag zeigt die Linguistin, was wir aus den Auseinandersetzungen von damals für heute lernen können.

Sprachkampf: Die eigentlich Betroffenen kommen nicht zu Wort

Die Argumentationen der Gegner des Sprachwandels seien heute ähnlich wie damals. Es werden Gruppen angeführt, für die die neuen Bezeichnungen nicht gut seien, sagt Carolin Müller-Spitzer. Beim Gendern sind dies Menschen, die Deutsch als Fremdsprache lernen sowie Sehbehinderte und Blinde. Die Stimmen dieser Gruppen werden im Diskurs jedoch nicht gehört, zeigt die Linguistin in ihrem Vortrag.

"Gender dient als 'symbolic glue', also als ein symbolischer Kleber, der verschiedene konservative, rechtspopulistische, zum Teil auch kirchliche Kräfte zusammenbringt."
Carolin Müller-Spitzer, Linguistin

Carolin Müller-Spitzer ist Linguistin am Leibniz-Institut für Deutsche Sprache und Professorin an der Universität Mannheim. Ihr Vortrag hat den Titel "Wessen Stimme wird gehört? Genderinklusive Sprache im Deutschen im Lichte aktueller und vergangener Sprachdiskussionen". Sie hat ihn am 25. Juni 2024 an der Universität Gießen im Collegium Gissenum zum Thema Sprachliche Ungerechtigkeiten gehalten.