SportwettenRaus aus der Glücksspielsucht

Daniel war jahrelang spielsüchtig, ohne es zu merken. Mit Sportwetten hat er eine halbe Million Euro verloren und ist am Ende sogar im Gefängnis gelandet. Wie er glücksspielsüchtig geworden ist und wie es aufgehört hat? Das erzählt er in Unboxing News.

Sportwetten mit Beträgen von fünf und zehn Euro: Damit hat es für Daniel Kesseler angefangen. Konkret war es eine Tipprunde unter Kollegen im Herbst 2005. Im Rückblick war Daniel Kessler rund 15 Jahre lang glückspielsüchtig. Er hat geschätzt 500.000 Euro verwettet und wegen Betrugsdelikten Zeit im Gefängnis verbracht. Seine Sucht ist ihm erst in Haft richtig bewusst geworden – ohne Handy und ohne Kommunikation.

Er hat seine Glückspielsucht selbst während des Gerichtsverfahrens verschwiegen und erst im Nachhinein aufgearbeitet: "Bei Gericht habe ich alles zugegeben, aber nirgends von dem Wetten erzählt, weil ich mich geschämt habe."

Mit Fußballwetten in den Ruin

"Meine Wetten liefen eigentlich zu 95 Prozent im Bereich vom Fußball", sagt er. Daniel Kessler hat auch auf Clubs gesetzt, von denen er noch nie gehört hat. Heute ist er 36 Jahre alt und wettet nicht mehr. Sein Erspartes und sein Erbe hat er so verspielt. Auch wenn für seine eigenen Lebenshaltungskosten und die seiner Familie stets genug übrig war.

"Ich habe über 15 Jahre lang gespielt. In der Hochphase waren es dann 400, 500 Euro am Tag."
Daniel Kessler, er war süchtig nach Sportwetten

Er beschreibt einen Teufelskreis. Seine wachsenden Schulden und Ausstände hoffte er stets, mit gewonnenem Geld begleichen zu können: "Mein Ziel war es, irgendwann die ganzen angelaufenen Schulden zurückzubezahlen – durch den großen Gewinn, der kommt."

Um an Geld zu kommen, hat Daniel Kessler Ware auf Rechnung bestellt, nicht bezahlt und weiterverkauft – ohne Gewinn, wie er betont. Häufig waren das hochwertige elektronische Geräte. Erst mit der Zeit kamen dann Zahlungsaufforderungen, Inkassoverfahren und schließlich eine Hausdurchsuchung.

"Ich hatte ganz krass Entzugserscheinungen, wenn ich es nicht gemacht habe. Ich war dann auch schlecht gelaunt. Das hat schon richtig das Emotionale beeinflusst."
Daniel Kessler, er war süchtig nach Sportwetten

Typischerweise blenden Glückspielsüchtige Verluste aus, sagt Tobias Hayer von der Universität Bremen. Er erforscht dort das Glückspiel – insbesondere die mentalen Voraussetzungen und Folgen dieser Sucht.

Glücksspiel-Verluste werden verdrängt

Er beschreibt einen Mechanismus, der auch bei Daniel Kessler gegriffen hat: In der Regel verdrängen Glückspielsüchtige die Verluste durch das Weiterspielen und erinnern sich gefühlsmäßig eher an die Gewinne: "Verlusterlebnisse können sie hervorragend ausblenden, indem sie immer weiterspielen. Die Gewinne bleiben emotional eher im Gedächtnis haften". Seiner Frau hat Daniel Kessler stets nur die Gewinne vorgeführt.

Tobias Hayer, erforscht Glücksspiele aus psychologischer Sicht.

Typisch ist auch, dass Glückspielsüchtige ihre Erkrankung selbst nicht als solche erkennen, nicht krankheitseinsichtig sind, wie Tobias Hayer sagt.

"Im Suchtbereich haben wir immer das Problem, dass die Krankheitseinsicht zumindest am Anfang einer Fehlentwicklung nicht da ist."
Tobias Hayer, Psychologe und Glückspielforscher, Universität Bremen

Um die Zahl der Glückspielsüchtigen zu verringern, ist im Glückspielstaatsvertrag neuerdings ein Einzahlungslimit von 1.000 Euro bei Online-Wetten festgelegt. Tobias Hayer hält das für zu hoch: "Diese 1.000 Euro kann man noch nach oben verschieben. Bis zu 30.000 Euro. Egal, wie hoch ihr Einkommen ist. Aus meiner Sicht macht so ein Limitierungssystem dann keinen Sinn."

Er wünscht sich, dass Werbung für Glücksspiel im Fernsehen, auf Social-Media und im Radio auf ein Minimum beschränkt wird – vielleicht sogar gänzlich verboten wird.

"Werbung setzt Spielanreize, verführt Spielende oder Spielinteressierte zum Glücksspiel und ist aus meiner Sicht das Gegenteil von Jugend- und Spielerschutz."
Tobias Hayer, Psychologe und Glückspielforscher, Universität Bremen

Hilfe bei Glücksspielsucht bietet zum Beispiel die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung für Spielende und auch Angehörige an. Die Beratung ist Online und auch am Telefon möglich. Wer möchte, kann das Angebot anonym nutzen. Weitere Hilfsangebote findest du hier.