SoziologieFreundschaften hängen auch vom Geldbeutel ab
Jugendliche aus einkommensschwachen Familien, denen weniger Geld zur Verfügung steht, haben offenbar weniger Möglichkeiten, Freundschaften zu schließen. Das haben Soziologinnen und Soziologen bei einer Untersuchung unter Jugendlichen in mehr als 230 Schulklassen beobachtet.
Im Fokus der Studie der Unis Zürich und Stockholm standen 14- und 15-jährige Schüler*innen an schwedischen Schulen. Die Forschenden haben deren finanziellen Hintergrund und ihre Freundschafts-Netzwerke analysiert. Ergebnis: Die Jugendlichen aus einkommensstarken Familien hatten mehr Kontakte als die aus einkommensschwachen.
"Heraus kam, knapp gesagt: Die ärmsten Jugendlichen hatten am wenigsten Freund*innen in der Klasse und auch außerhalb."
Als arm wurden diejenigen Jugendlichen gewertet, deren Familien in den unteren 20 Prozent der schwedischen Einkommensskala lagen, die also unterdurchschnittlich wenig Geld zur Verfügung hatten – und dementsprechend auch weniger, um sich davon zum Beispiel teure Markenklamotten oder regelmäßig Kinobesuche, Konzertgänge oder andere Freizeitaktivitäten und Hobbies leisten zu können.
Spiegel des sozialen Status
All das sind Dinge, so die Forschenden, die den sozialen Status spiegeln und die für junge Menschen zwar nicht ausschließlich, aber doch mit dafür entscheidend sind, wen sie als Freundin oder Freund auswählen – bewusst oder unbewusst.
Statussymbole und Geld entscheiden aber nicht allein über das Knüpfen von Freundschaften. Das macht "nur" etwa ein Drittel aus, so die Studie. Es gibt noch eine Reihe anderer Faktoren, die aber auch indirekt damit zusammenhängen.
"Arme Jugendliche leiden statistisch gesehen häufiger unter wirtschaftlichem und familienbezogenem psychosozialem Stress."
So leiden den Forschenden zufolge arme Jugendliche zum Beispiel statistisch gesehen häufiger unter wirtschaftlichem und familienbezogenem psychosozialem Stress. Der kann sich auf das Verhalten der Betroffenen auswirken: Sie können etwa neidisch oder verschlossen erscheinen, was sie dann als potenzielle Freund*innen für andere weniger attraktiv macht – eine Art Teufelskreis.
Anfreunden mit den Freund*innen der Freund*innen
Gleichzeitig gilt der Umkehrschluss: Die attraktiven und beliebten Jugendlichen, die schon viele Freunde und Freundinnen haben, bekommen auch leichter noch weitere dazu. Denn, so die Erklärung der Soziolog*innen, wir neigen dazu, uns mit den Freund*innen unserer Freund*innen anzufreunden – jede einzelne Freundschaft erhöht demnach die Wahrscheinlichkeit, noch mehr Kontakte dazu zu gewinnen.
"Je mehr Freundschaften in der Schule, desto besser dein Wohlbefinden, desto besser deine Leistungen und desto besser gelingt dir der Eintritt in dein Berufsleben."
Das Potential, Freundschaften zu schließen, hat dabei weitreichende Folgen, erklärt Kathrin Sielker aus der Deutschlandfunk-Nova-Nachrichtenredaktion: Freundschaften haben eine große gesellschaftliche Relevanz. Psychologisch gesehen sind sie in der Zeit des Erwachsenwerdens sehr wichtig für die eigene persönliche Entwicklung. Denn Freundschaften stärken die sozialen Kompetenzen: Je mehr Freundschaften wir haben, desto sozial integrierter sind wir.
Und je mehr Freundschaften wir in der Schule knüpfen, desto besser sind in der Regel auch unser Wohlbefinden, unsere Leistungen – und die Wahrscheinlichkeit, dass uns der Eintritt ins Berufsleben gut gelingt. Davon wiederum kann die gesamte Gesellschaft und auch die Volkswirtschaft profitieren.
Forschende sehen Schulen in der Pflicht
Wie Jugendliche ihre Freundschaften auswählen, lässt sich zwar kaum vorschreiben. Trotzdem sehen die Studienautor*innen die Schule als staatliche Einrichtung hier klar in der Pflicht. Aus ihrer Sicht liegt es auch in der öffentlichen Verantwortung, für Kinder aller Schichten Chancengleichheit zu gewährleisten.
Die Schule als Institution könnte versuchen, die genannten Tendenzen zu durchbrechen, so die Forschenden. Sie schlagen zum Beispiel vor, die Sitzordnung in der Klasse regelmäßig so zu durchmischen, dass die einkommensschwächeren mit den einkommensstärkeren Schüler*innen häufiger in Kontakt kommen. Das schaffe mehr Gelegenheiten, Freundschaften zu schließen.
Außerdem könnte man auch das Angebot für Nachmittagsaktivitäten und Sport außerhalb des Unterrichts verstärken, damit die Schüler*innen mehr Berührungspunkte haben, so die Studie.