Nach dem AbnabelungsprozessUrlaub mit den Eltern
Schule fertig und nichts wie weg von den Eltern, eigene Bude, am besten noch in eine andere Stadt ziehen. Gemeinsamer Urlaub mit den Eltern: No way! Aber, was viele von uns mit Anfang 20 kategorisch ablehnen, ist mit Ende 20 schon wieder ganz okay.
Unsere Reporterin Lena Sterz kann sich nicht vorstellen, mit ihren Eltern in den Urlaub zu fahren. Um so erstaunter war sie, als ihre Freundin Kerstin erzählt, dass sie mit ihrem Vater nach Südostasien reist. Auf Papis Kosten – das ist natürlich ein Argument.
"Mein Vater ist in Rente gegangen und hat mich gefragt, ob ich nicht mitkommen will. Und Ja, warum nicht? Eigentlich ziemlich cool!"
Kerstins Vater kümmert sich um alles: Buchung, Reiseplan, Sightseeing, denn Kerstin hat dafür keine Zeit. Sie hat gerade ihren ersten Job nach dem Master angefangen und muss sich auf den Berufseinstieg konzentrieren.
Zweieinhalb Wochen Myanmar – das hätte Kerstin auch alleine machen können – mit Rucksack, Hostels und Bus. Mit ihrem Vater zusammen hat sie dagegen in Hotels übernachtet, hatte persönliche Tourguides und oft sind sie einfach mit dem Taxi von A nach B gefahren.
"Wir haben öfter mal ein Bier zusammen getrunken und den Sonnenuntergang angeguckt. Der Gesprächsstoff ist uns da glücklicherweise nicht ausgegangen."
Streit? Gab es nicht, sagt Kerstin. Beide waren entspannt und hatten einfach Zeit, auch miteinander zu quatschen.
Nach der Abnabelung von den Eltern klappt es auch wieder mit dem Urlaub
Familientherapeut Björn Hermans hat eine plausible Erklärung dafür, warum Urlaub mit den Eltern Ende 20 wieder möglich ist, obwohl das zehn Jahre zuvor noch völlig ausgeschlossen war. Ende 20 ist unsere Identität voll entwickelt, wir haben uns komplett abgenabelt und haben eine eigene sichere Position im Leben gefunden. Aus dieser Situation heraus fällt es uns leichter, uns wieder auf unsere Eltern einzulassen.
"Ich glaube, das spricht dann eher dafür, dass man eine sichere Position gefunden hat, wenn man sich wieder vorstellen kann, wieder mehr Zeit miteinander zu verbringen, zum Beispiel eben in einem gemeinsamen Urlaub."
Im Falle von Raika war es nicht so, dass ihre Mutter sie eingeladen hat und den kompletten Urlaub bezahlt hat, sondern Raikas Mutter ist eingesprungen, weil ihr Freund keine Zeit hatte. Raika hat auch erst gezögert, aber als ihre Mutter klar sagte, sie werde sich ihrer Vorstellung von Urlaub anpassen, haben die beiden eine gute Arbeitsteilung gefunden. Raika hat die komplette Rucksackreise geplant und die Mutter ist bereit, auch in Mehrbettzimmern zu übernachten und die Mietwagen zu fahren.
"Also meine Mutter hatte eine persönliche Reiseleiterin und ich eine persönliche Chauffeurin."
Bei Raika und ihrer Mutter hat ein Rollenwechsel stattgefunden, erklärt der Familientherapeut: Die Tochter hat alles geplant und organisiert - die Mutter hat einfach nur zugestimmt und sich angepasst. So ein Rollenwechsel findet meist statt, wenn die Eltern pflegebedürftig werden. Etwas ungewohnt fühlt sich die Situation an, wenn die Eltern noch sehr aktiv sind, erklärt Björn Hermans.
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