Sozialpsychologie und TechnisierungDie Suche nach dem Selbst im Datenmeer
Geschickt programmierte Maschinen können aus dem, was wir online tun, erstaunlich treffende und vollständige Persönlichkeitsprofile erstellen. Können uns Algorithmen sagen, wer wir sind? Vorträge der Medizinethikerin Christiane Woopen und von Nathalie Oexle, Juniorprofessorin für Sozialpsychiatrie.
"Lasse ich einen Algorithmus vor der Hochzeit über die Facebook-Likes meines Partners laufen, um zu schauen, ob ich ihn wirklich gut genug eingeschätzt habe und heiraten möchte?"
Wir sind angekommen in einer Realität, die uns noch vor wenigen Jahren wie Science Fiction vorkam: Algorithmen "wissen" über unsere politischen Überzeugungen und unsere modischen Vorlieben besser Bescheid als die meisten unserer Freunde und Bekannten. Sie wissen auch, ob wir schüchtern sind oder mutig, organisiert oder chaotisch, krank oder gesund. Wollen wir das akzeptieren? Sollten wir eine solche Autorität anerkennen?
"Wir erkennen uns nur in den Augen der anderen. Dadurch, dass wir sehen, wie wir auf sie wirken, wie wir zurück angeschaut werden."
Wer bin ich? Was ist ein Mensch? Das sind alte Fragen, die wir Menschen uns im Laufe der Geschichte immer wieder gestellt haben. Eine ultimative Antwort gibt es nicht. Die Kultur, in der wir leben, und die Zeit, in die wir geboren werden, prägen unser Menschenbild entscheidend.
Digitalisierung und Big Data prägen unser Menschenbild
Und so prägt auch die Digitalisierung unser Menschenbild im Zeitalter von Big Data. Die beiden Vorträge von Christiane Woopen und Nathalie Oexle setzen sich genau damit auseinander: Identität und Selbstverständnis in einer technisierten Welt.
"Es ist bemerkenswert, dass wir gerade von dem Menschen, den wir lieben, am wenigsten aussagen können, wie er sei. Wir lieben ihn einfach."
Christiane Woopen ist Professorin für Ethik und Theorie der Medizin an der Universität Köln und seit 2017 Vorsitzende des Europäischen Ethikrats. Ihr Vortrag trägt den Titel: "Das Menschenbild im Zeitalter der Datafizierung". Nathalie Oexle ist Juniorprofessorin für Sozialpsychiatrie an der Uniklinik Ulm. Sie erforscht, wie Menschen mit psychischen Erkrankungen in unserer Gesellschaft stigmatisiert werden. Ihr Vortrag hat den Titel "Ver-rückt? Stigmatisierung und psychische Erkrankung".
Christiane Woopen hat am 11. Dezember 2018 an der Universität Köln vorgetragen, Nathalie Oexle am 20. November 2018. Beide Vorträge sind Teil der Ringvorlesung "Gesund wie nie? Facetten der Gesundheit in der modernen Gesellschaft". Die Vorlesung wurde von Ceres organisiert, dem Cologne Center for Ethics, Rights, Economics and Social Sciences of Health.