SolidaritätCorona pusht unser Wir-Gefühl

Wir fühlen uns schlecht in Zeiten von Corona: Kurzarbeit oder Jobverlust, Homeoffice und Homeschooling, keine Partys mehr und kaum noch Reisen. Die Gesellschaftsforscher Achim Goerres und Lena Hipp sehen trotzdem viele Vorteile: Denn das Virus pusht unser Wir-Gefühl.

Laut Achim Goerres hat die Pandemie erfreuliche Effekte für das politisch-solidarische Denken in der Bevölkerung. Denn Kriege und Krisen hätten in aller Regel sehr starke positive Effekte auf die öffentliche Meinung. Das – wie Goerres es nennt – "prosoziale Verhalten" nehme in solchen Zeiten zu. Wenn einem bewusst werde, dass die Menschen um einen herum Schaden erleiden, baue man diese Schäden auch gemeinsam mit ihnen ab.

"Die Gesellschaft teilt eine totale Erfahrung, die alle Lebensbereiche durchdringt, die ein neues Wir-Gefühl, ein neues Gemeinschaftsgefühl erschafft."
Achim Goerres, Politikwissenschaftler

Der Politikwissenschaftler führt dazu neueste Zahlen aus seinem Forschungsbereich an: 73 Prozent der Deutschen vertreten die Ansicht, dass das Land jetzt stärker zusammenhalte als sonst. Auch das Vertrauen in die Regierung ist in Deutschland von 45 auf 64 Prozent gestiegen. Achim Goerres hat, sagt er, noch nie so hohe Werte im Hinblick auf die politische Arbeit gesehen wie jetzt.

Vertrauen in die Regierung ist gewachsen

Die zweite Rednerin, Lena Hipp, befasst sich mit den Geschlechterrollen während der Pandemie. Obwohl die Männer derzeit verstärkt zu Hause bleiben, kommen die Kinder in den meisten Fällen doch nach wie vor zur Mutter, wenn sie Fragen zu ihren Hausaufgaben haben, sagt sie zum Beispiel. Alte Geschlechterrollen manifestierten sich also offenbar auch bei jungen Paaren. Ihre Schlussfolgerung nach den ersten Monaten Pandemie: Die Hauptlast trägt das weibliche Geschlecht.

"Sowohl die Betreuungs- als auch die Hausarbeit blieb weiterhin sehr stark traditionell verteilt."
Lena Hipp, Gesellschaftsforscherin

Es hat sich also nicht viel geändert, so Lena Hipp. Gleichwohl räumt sie ein, dass die Forscher noch nicht absehen können, welches Szenario sich in den Nach-Pandemiezeiten ergeben wird: eins mit verfestigten Geschlechterrollen oder eins mit aufgelösten. Die aktuelle Gefühlswelt der Geschlechter spreche aber eine deutliche Sprache: Danach leiden Frauen mehr unter den Folgen von Corona als die Männer.

Unsere Vorträge stammen vom Institutstag der Max-Planck-Gesellschaft für Gesellschaftsforschung am 26. und 27. November 2020 in Köln, der diesmal online stattfand. Er trug den Titel: "Ist der Staat zurück? Politik und Wirtschaft in der Corona-Krise". Dazu gesprochen hat unter anderem der Politikwissenschaftler Achim Goerres von der Universität Duisburg-Essen. Sein Thema lautete "Mehr füreinander und mehr gegeneinander? Politische Solidaritäten während der Coronakrise". Eine weitere Rednerin war Lena Hipp, Sozialstruktur-Analystin an der Universität Potsdam und Leiterin der Forschungsgruppe Arbeit und Fürsorge am Wissenschaftszentrum Berlin. Sie beschäftigt sich in ihrem Vortrag mit dem Thema "Geschlechtsspezifische Auswirkungen der Corona-Pandemie".